Drohende «Explosion der Kindersterblichkeit» am Horn von Afrika: Die Welt muss sofort handeln

Aussagen von Rania Dagash, stellvertretende UNICEF-Regionaldirektorin für das östliche und südliche Afrika, anlässlich der Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf unterstreichen die bedrohliche Lage für die betroffenen Kinder.

© UNICEF/UN0644285/Fazel

Schwere akute Mangelernährung
«Schätzungsweise 386 000 Kinder in Somalia benötigen jetzt dringend eine Behandlung gegen lebensbedrohliche schwere akute Mangelernährung - und damit mehr als die 340 000 Kinder, die zur Zeit der Hungersnot 2011 behandelt werden mussten.
Die Zahl der Kinder, die von dieser tödlichen Form der Mangelernährung betroffen sind, ist innerhalb von fünf Monaten um mehr als 15 Prozent gestiegen.
In ganz Äthiopien, Kenia und Somalia benötigen mehr als 1,7 Millionen Kinder dringend eine Behandlung gegen schwere akute Mangelernährung.
Innerhalb von zwei Jahren sind vier Regenperioden ausgefallen, die Ernte und Viehbestand vernichtet und Wasserquellen ausgetrocknet haben. Die Vorhersagen deuten darauf hin, dass auch die nächsten Regenfälle von Oktober bis Dezember ausfallen werden.

In allen drei Ländern ist die Zahl der schwer unterernährten Kinder, die im ersten Quartal 2022 zur Behandlung eingewiesen wurden, deutlich höher als im ersten Quartal 2021:
•    In Äthiopien stiegen Einweisungen um 27%.
•    In Somalia waren die Aufnahmen um 48% höher.
•    Kenia zeigte einen Anstieg um 71%.
Auch die Sterberaten sind besorgniserregend. In diesem Jahr sind in einigen der am schlimmsten betroffenen Gebieten am Horn von Afrika bereits dreimal so viele Kinder an schwerer akuter Unterernährung mit medizinischen Komplikationen in stationären Behandlungszentren gestorben wie im gesamten Vorjahr.»

Wasser
«Zwischen Februar und Mai hat sich die Zahl der Haushalte ohne zuverlässigen Zugang zu sauberem und sicherem Wasser fast verdoppelt - von 5,6 Millionen auf 10,5 Millionen.»

Krieg in der Ukraine
«Das Leben von Kindern am Horn von Afrika ist auch wegen des Krieges in der Ukraine in erhöhter Gefahr. Allein Somalia importierte früher 92 Prozent seines Weizens aus Russland und der Ukraine - doch jetzt sind die Versorgungswege blockiert. Der Krieg verschärft den weltweiten Anstieg der Lebensmittel- und Treibstoffpreise, so dass sich viele Menschen in Äthiopien, Kenia und Somalia die Grundnahrungsmittel, die sie zum Überleben brauchen, nicht mehr leisten können.
Dieser Druck wirkt sich auch auf unsere Hilfe aus. Die Kosten für die lebensrettende therapeutische Nahrung, die UNICEF zur Behandlung von Kindern mit schwerer akuter Mangelernährung einsetzt, werden in den nächsten sechs Monaten weltweit voraussichtlich um 16 Prozent steigen, was bedeutet, dass UNICEF allein am Horn von Afrika schätzungsweise 12 Millionen US-Dollar mehr als erwartet benötigt.»

Finanzierung
«UNICEF und andere Organisationen haben wiederholt die Alarmglocke wegen dieser Krise geläutet. Wir danken den Spendern aufrichtig für ihre Beiträge - ihre Unterstützung hat es uns ermöglicht, so zu reagieren, wie wir es bisher tun konnten. Aber unser Aufruf ist immer noch drastisch unterfinanziert - wir haben weniger als ein Drittel dessen, was wir in diesem Jahr brauchen.

Die internationale Gemeinschaft - allen voran die G7, die sich im Juni in Deutschland treffen werden - muss jetzt neue, zusätzliche Mittel bereitstellen, um Leben zu retten. Die Konzentration auf die Ukraine darf nicht dazu führen, dass andere Krisen vernachlässigt werden und letztlich noch mehr Menschenleben verloren gehen.
Wir möchten auch, dass sich die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten verpflichten, in künftigen Notsituationen frühzeitig zu handeln und in langfristige Massnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit zu investieren - etwa in Programme für Ernährung, Wasser, Bildung und Geldtransfers. Somalische Kinder leben jetzt an der vordersten Front der Klimakrise - das wird sich nicht ändern. Wir brauchen eine deutliche Veränderung seitens der Gebergemeinschaft, um Familien angemessen zu unterstützen, damit sie diese zyklischen Klimaschocks überstehen können.

Einzelschicksale
Wenn Sie gestatten, möchte ich abschliessend die Geschichte von zwei dieser Kinder erzählen, die von der drohenden Katastrophe betroffen sind.
Ich bin gerade aus Somalia zurückgekehrt. In einem Gesundheitszentrum in der Grenzstadt Dollow traf ich Ismayel und ihre einjährigen Zwillingsjungen - Salman und Libaan. Sie ist schwanger, aber die verheerenden Auswirkungen der Dürre hatten sie gezwungen, 120 km zu laufen, um ihre Söhne wegen Mangelernährung behandeln zu lassen.
Viele Kinder werden es nicht so weit schaffen. Ich habe von Kindern gehört, die am Strassenrand begraben wurden, weil ihre Familien verzweifelt lange Wege auf sich genommen haben, um Hilfe zu suchen.
Und wir befürchten, dass das Schlimmste noch bevorsteht.»

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