Ein zunehmender Anteil von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist von psychischen Problemen betroffen. Fachorganisationen für Kinder und Jugendliche, Jugendverbände, Fachpersonen und Entscheidungsträger:innen gehen den Ursachen nach und erarbeiten gemeinsam Lösungsvorschläge.
Bereits vor der Pandemie haben Angststörungen, Depressionen und Suizidalität bei jungen Menschen weltweit zugenommen. An einer Tagung am 24. Mai 2023, organisiert von Public Health Schweiz, der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV), UNICEF Schweiz und Liechtenstein, CIAO und Pro Juventute zusammen mit zentralen Jugendverbänden, werden gemeinsam mit jungen Menschen Ursachen und Lösungsansätze diskutiert.
Laut einer UNICEF-Studie ist ein Drittel der 14- bis 19-Jährigen in der Schweiz und in Liechtenstein von psychischen Problemen betroffen. Jeder elfte Jugendliche hat schon versucht, sich das Leben zu nehmen. Auch Studien und Zahlen der Beratungsangebote von Pro Juventute zeigen, dass Kinder und Jugendliche psychisch stark belastet sind. Das Beratungsangebot 147 von Pro Juventute führt pro Tag sieben bis acht Beratungen wegen Suizidgedanken durch. Damit haben sich diese Gespräche im Vergleich zu vor der Pandemie fast verdoppelt. Katja Schönenberger, Direktorin von Pro Juventute, fordert deshalb: «Wir müssen Kinder und Jugendliche in der Multikrise unterstützen und Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche stärken».
In der Westschweiz hat der Verein CIAO mit einer Vielzahl von Partnern eine niederschwellige Ressource, ontécoute.ch, für 18- bis 25-Jährige bereitgestellt. Laut Marjory Winkler, Direktorin des Vereins CIAO, «war es angesichts der Gesundheitssituation und der Erkenntnisse über die psychische Gesundheit junger Erwachsener wichtig, auf die Bedürfnisse dieser Altersgruppe eingehen zu können».
Forderung nach mehr Prävention und stärkerer Partizipation junger Menschen
Das Leid der Betroffenen und ihres Umfelds sowie die Kosten für Gesundheitswesen und Arbeitswelt sind erheblich. Ein Ausbau der Behandlungsangebote allein wird den Herausforderungen nicht gerecht – es braucht wirkungsvolle präventive Ansätze und eine stärkere Partizipation junger Menschen bei der Entwicklung von Lösungen. Deshalb wird an der Tagung, die am 24. Mai 2023 in der Heiteren Fahne in Wabern bei Bern stattfindet, nicht über junge Menschen geredet, sondern mit ihnen. Der Trägerschaft ist es ein zentrales Anliegen, dass Jugendliche und junge Menschen mitreden, mitentscheiden und mitgestalten können. «Jugendorganisationen sind der dramatischen Zunahme psychischer Beschwerden an vorderster Front ausgesetzt. Für wirkungsvolle Gesundheitsförderung ist ihre Arbeit unabdingbar», sagt Jan Burckhardt, Co Präsident der SAJV.
«Die Krisen in unserer Welt, sei es die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine oder die Pandemie, haben Auswirkungen auf die psychische Gesundheit junger Menschen», sagt Fabien Fivaz, Nationalrat Grü e, der an der Tagung an einem runden Tisch teilnimmt. Auch er fordert deshalb unterstützende und präventive Massnahmen. Bettina Junker, Geschäftsleiterin von UNICEF Schweiz und Liechtenstein betont dabei auch den Einbezug junger Menschen in die Lösungsfindung: «Wir dürfen nicht erst auf Probleme reagieren, sondern müssen dafür sorgen, dass diese erst gar nicht entstehen. Wie entsprechende Angebote aussehen müssen, können uns nur die Betroffenen selbst sagen, denn Kinder und Jugendliche sind Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lebenswelt.»
Politik und Verwaltung alarmiert
Neben Jugendverbänden, welche die Tagung massgeblich mitgestalten, sind auch Fachpersonen und Entscheidungsträger:innen aus Politik und Verwaltung an der Tagung vertreten. Schliesslich zielt die Veranstaltung darauf ab, gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten, um die psychische Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen langfristig und nachhaltig zu stärken. Dass die Politik gefordert ist, ist auch Marc Rüdisüli, Präsident der Jungen Mitte, bewusst: «Damit die alarmierenden Trends - insbesondere bei jungen Menschen - nicht zu einer langfristig negativen Entwicklung werden, müssen wir jetzt handeln. Die Politik muss ausreichende Mittel für psychische Gesundheitsdienste bereitstellen, Präventionsprogramme fördern und mehr in die Medienkompetenz investieren. Das sind wir den jungen Menschen schuldig.»
Alarmiert über die Zunahme psychischer Probleme bei jungen Menschen zeigt sich auch die Verwaltung. «Studien zeigen eindeutig, dass die Belastung bei einem Teil der jungen Menschen in der Pandemie zugenommen hat und weiterhin hoch ist, insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen. Es braucht Massnahmen, um die vorhandenen Lücken in der psychiatrischpsychotherapeutischen Versorgung zu schliessen», sagt Linda Nartey, Vizedirektorin des Bundesamts für Gesundheit. Sie unterstreicht jedoch auch die Bedeutung der Ressourcenstärkung: Der grösste Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fühlt sich psychisch gesund und hat auch während der Pandemie keine grundlegende Beeinträchtigung in der psychischen Gesundheit erfahren. Diese Tatsache zeige die Wichtigkeit von Ressourcen für das psychische Wohlergehen, so Nartey: «Die Stärkung von Ressourcen und die Früherkennung von Belastung bei allen jungen Menschen sind zentral – so werden nicht nur die stark geforderten Versorgungsstrukturen entlastet, sondern dadurch wird auch die Lebensqualität verbessert.» Lukas Engelberger, Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz, ist überzeugt: «Gemeinsam müssen wir uns für die psychische Gesundheit von jungen Menschen stark machen – und sie mit konkreten Angeboten in Prävention und Versorgung unterstützen.»
Tagung vernetzt Akteure und gibt Impulse für Politik
Die Vorarbeiten zur Tagung haben bereits zu einer besseren Vernetzung der Jugendverbände geführt. Die Tagung selbst ist letztendlich ein Startschuss für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren und zwischen den Generationen. «Der vermehrte Einbezug der jungen Generation in die Folgeaktivitäten der Tagung und die daraus resultierenden Entscheidungsprozesse kann dazu beitragen, die psychische Gesundheit und Resilienz junger Menschen zu stärken» meint Daniel Frey, Initiator der Tagung, Pädiater und Vorstandsmitglied von Public Health Schweiz. «Die psychische Gesundheit junger Menschen ist eine wichtige Ressource für unsere Zukunft und betrifft uns alle. Es ist Zeit, dass sich auch die nationale Politik verstärkt mit den Anliegen der nächsten Generation beschäftigt».
Kontakt für Medien
Komitee für UNICEF Schweiz und Liechtenstein
Jürg Keim, Medienstelle, 044 317 22 41, [email protected]
Sandra Büschi, Projektleiterin Public Health Schweiz
077 443 55 17, [email protected]