Die erschütternden Bilder und Geschichten, die uns in den letzten Tagen aus Afghanistan erreichen, gehen um die Welt. Über die Hälfte der Bevölkerung ist dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mindestens zehn Millionen davon sind Kinder. Wie schätzt UNICEF die Lage in Afghanistan ein? Was ist die Rolle von UNICEF? Und was ist humanitäre Hilfe überhaupt? Zum heutigen Welttag der humanitären Hilfe möchten wir diesen Fragen nachgehen.
«Mit jedem Tag fordert der aufflammende Konflikt in Afghanistan einen höheren Tribut von den Frauen und Kindern des Landes.»
Die Menschen Afghanistans brauchen unsere Hilfe - jetzt
Die seit langem andauernde humanitäre Krise in Afghanistan hat sich in den letzten Monaten zu einer multidimensionalen Krise entwickelt: Aufgrund von Dürren müssen Tausende Hunger leiden, die dritte Welle der Covid-19 Pandemie fordert zahlreiche Todesopfer und die wirtschaftliche Not trifft ein Grossteil der Bevölkerung. Hinzu kommt der bewaffnete Konflikt, der seit Anfang des Jahres mehr als 550 Kinder getötet und 1400 schwer verwundet hat. Seit Beginn der Aufzeichnungen der Vereinten Nationen in Afghanistan war die Not für Kinder nie grösser. Die Unsicherheiten, die Binnenvertreibung, Armut, Covid-19 und Wasserknappheit bekommen die Schwächsten am meisten zu spüren. Die Hälfte der Bevölkerung – mehr als 18 Millionen Menschen, darunter fast zehn Millionen Kinder – benötigen humanitäre Hilfe. UNICEF schätzt, dass in den kommenden Monaten rund zwei Millionen Kinder sauberes Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene benötigen werden und mehr als eine Millionen Kinder unter fünf Jahren an schwerer akuter Mangelernährung leiden müssen.
Millionen Kinder
Kinder
Millionen Kinder
Mit der Intensivierung der Kämpfe schrumpft der Handlungsspielraum für humanitäre Helfer. Der Zugang zu den Menschen in Not ist im Moment sehr schwierig und auch mit Gefahren für das Personal verbunden. Die humanitären Organisationen haben sich verpflichtet, zu bleiben und der Zivilbevölkerung zu helfen und sie zu unterstützen. Doch diese Organisationen brauchen ungehinderten Zugang sowie die Gewissheit, dass sie sich sicher bewegen können.
UNICEF ist entschlossen, zu bleiben, um zu helfen und stockt ihre humanitäre Hilfe auf, um sich auf ein «Worst-Case-Szenario» vorzubereiten. Durch eine dynamische Notfallplanung hat UNICEF seine Reaktionsstrategie überarbeitet und Ziele, Umsetzung und operative Modalitäten angepasst, um sicherzustellen, dass die Programme durchgeführt werden können. Präsent mit 11 Büros in Afghanistan, hat UNICEF in diesem Jahr bereits 1.7 Millionen Kinder mit humanitärer Hilfe erreicht.
Die Arbeit von UNICEF vor Ort
Herzstück der Arbeit von UNICEF zur Wahrung der Rechte von Kindern, die von humanitären Krisen betroffen sind, bilden die Core Commitments for Children, kurz die CCCs. Auf der Grundlage des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, insbesondere des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) und seiner drei Fakultativprotokolle, gelten die CCCs in allen Ländern und Gebieten, in allen Kontexten und für alle von humanitären Krisen betroffenen Kinder.
Die CCCs basieren auf globalen Standards und Normen für humanitäre Hilfe.
Die CCCs fördern Gleichheit, Transparenz, Verantwortung und einen ergebnisorientierten Ansatz, um vorhersehbare und zeitnahe humanitäre Massnahmen zu ermöglichen. Sie basieren auf globalen humanitären Normen und Standards und legen Verpflichtungen und Massstäbe fest, anhand derer UNICEF Rechenschaft über den Umfang, die Qualität und die Gerechtigkeit seiner humanitären Massnahmen und seiner Lobbyarbeit ablegt. (Für mehr Informationen: Core Commitments for Children)
Erfolgreiche humanitäre Hilfe funktioniert nur dank enger Zusammenarbeit
In Notsituationen – wie jener in Afghanistan – ist gute Koordination notwendig. Das bedeutet weniger Lücken und Überschneidungen bei der von humanitären Organisationen geleisteten Hilfe.
Der Grundstein für das internationale System der humanitären Koordinierung wurde in der UN- Generalversammlung im Dezember 1991 gelegt. Fast 15 Jahre später, im Jahr 2005, wurden im Rahmen einer umfassenden Reform der humanitären Koordinierung, eine Reihe neuer Elemente eingeführt, um Vorhersehbarkeit, Rechenschaftspflicht und Partnerschaft zu verbessern. Der Cluster-Ansatz war eines dieser neuen Elemente.
Cluster sind Gruppen von humanitären Organisationen, sowohl der UN als auch anderer Organisationen, in den wichtigsten Bereichen der humanitären Hilfe, z. B. Wasser, Gesundheit und Logistik. Sie werden vom Inter-Agency Standing Committee (IASC) benannt und haben klare Zuständigkeiten für die Koordinierung. UNICEF ist wegen seiner Expertise für die Cluster Ernährung, Wasser- und Hygiene, und gemeinsam mit Save the Children für Bildung in Notfällen verantwortlich.
UNICEF gibt nicht auf
UNICEF leistete 2020 Hilfe in 455 Notsituationen in 152 Ländern
Im vergangenen Jahr reagierte UNICEF auf 455 Notsituationen in 152 Ländern. Naturkatastrophen und die Auswirkungen des Klimawandels zwingen immer mehr Familien mit ihren Kindern zur Flucht und setzen sie Gewalt, Ausbeutung, Unterernährung und Krankheiten aus. Darüber hinaus haben bewaffnete Konflikte, zivile Unruhen und Angriffe auf humanitäre Helfer dazu geführt. Der Bedarf an Personal und zunehmender Schutz für humanitäre Helferinnen und Helfer an den Einsatzorten ist deshalb wichtiger denn je. Denn die Arbeit in humanitären Organisationen ist gefährlich: Im vergangenen Jahr wurden weltweit 475 Mitarbeitende Opfer von Attacken, davon zahlten 108 Menschen mit ihrem Leben, 242 wurden schwer verletzt und 125 Menschen wurden entführt.
Tausende Expertinnen und Experten sind für UNICEF täglich im Einsatz, um den Menschen in Not zu helfen. Die UNICEF Nothilfe-Spezialisten und Spezialistinnen sind das Herzstück unserer Fähigkeit, auf komplexe Notsituationen zu reagieren. Sie arbeiten mit Partnern in einigen der schwierigsten Regionen dieser Welt zusammen, um die am meisten gefährdeten Kinder zu erreichen, Und sie ergreifen mutige und innovative Massnahmen, um Ergebnisse zu erzielen.
Wie Josaphat: Josaphat verbrachte als Kind 8 Stunden am Tag mit dem Wasserholen. Jetzt baut er Wasserstellen im Südsudan.
Josaphat ist WASH-Spezialist (Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene) bei UNICEF. Er arbeitet unermüdlich daran, dass Familien Zugang zu sauberem, sicherem Wasser haben. An den meisten Tagen klettert er auf Wasserwagen, um die Wasserqualität zu prüfen, oder er unterhält sich mit Gemeindemitgliedern, um ihre Bedürfnisse zu verstehen oder um eine Strategie zur Cholera-Prävention zu entwickeln.
«Wenn die Gemeinden Zugang zu sauberem Wasser haben und die Kinder nicht mehr jeden Tag stundenlang laufen müssen, um das Wasser zu holen, können sie anfangen, ein Gefühl von Kindheit zu bekommen.»
Zum Welttag der Humanitären Hilfe
In unserem sicheren Alltag, der geprägt ist von kleineren und grösseren täglichen Herausforderungen, gehen die Mädchen, Buben, Frauen und Männer deren Leben von unserer Hilfe, unserer Aufmerksamkeit und unserer Solidarität abhängt, oft vergessen.
Heute haben wir die Möglichkeit, all der humanitären Helfer, die ihr Leben in Ausübung ihrer Pflicht verloren haben, und all derer, die weiterhin ihr eigenes Leben riskieren, um andere zu retten, zu gedenken.
Der diesjährige Welttag der Humanitären Hilfe 2021 hebt die unmittelbaren Folgen des Klimanotstands für die am stärksten gefährdeten Menschen der Welt hervor und stellt sicher, dass ihre Stimmen gehört werden und ihre Bedürfnisse auf der UN-Klimakonferenz (COP26) im November ganz oben auf der Tagesordnung stehen. (Joint he Race! #TheHumanRace)
(Für weitere Informationen: World Humanitarian Day)
Der Welttag der humanitären Hilfe wurde in Erinnerung an den Bombenanschlag vom 19. August 2003 auf das Canal Hotel in Bagdad, Irak, benannt, bei dem 22 Menschen getötet wurden, darunter der oberste humanitäre Helfer der Vereinten Nationen im Irak, Sergio Vieira de Mello. Im Jahr 2009 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen diesen Tag offiziell zum Welttag der humanitären Hilfe.
Diesjähriger Schwerpunkt: Der Klimawandel und die damit einhergehenden extremen Wetterereignisse richten weltweit Verwüstungen in einem Ausmass an, welche die humanitäre Gemeinschaft nicht alleine bewältigen kann. Den am stärksten gefährdeten Menschen auf der Welt – jene die am wenigsten zur globalen Klimakatastrophe beigetragen haben, aber am stärksten betroffen sind – und Millionen anderen, die bereits ihre Häuser, ihre Lebensgrundlage und ihr Leben verlieren, läuft die Zeit davon. Am heutigen Welttag der Humanitären Hilfe betonen wir die Solidarität welche den Menschen gebührt, die sofortige Massnahmen zum Klimaschutz am meisten brauchen.