Zürich, 11. Juni 2014 – Zum Internationalen Tag gegen Kinderarbeit am 12. Juni ruft UNICEF Regierungen, Unternehmen und Konsumenten dazu auf, der Ausbeutung von Kindern die rote Karte zu zeigen. Zwar ist die Zahl der arbeitenden Kinder im vergangenen Jahrzehnt um etwa ein Drittel gesunken. Doch noch immer müssen weltweit 168 Millionen Kinder arbeiten – 85 Millionen von ihnen unter ausbeuterischen, gefährlichen und oftmals entwürdigenden Bedingungen. Auch im Gastgeberland der Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien arbeiten rund 640‘000 Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren. Viele von ihnen gehen nicht zur Schule oder brechen diese ab, weil sie Geld verdienen müssen. UNICEF nutzt die WM, um auf die grossen sozialen Gegensätze hinzuweisen und das Recht benachteiligter Kinder auf Bildung und Sport einzufordern.
Ausbeuterische Kinderarbeit kann verhindert werden, sie ist keine unvermeidbare Konsequenz von Armut und Unterentwicklung. Angesichts der Dimensionen des Problems reichen aber einzelne Hilfsaktionen nicht aus. Vielmehr müssen die Ursachen systematisch angegangen werden: durch wirksame Gesetze, gute und kostenlose Schulen, soziale Unterstützung für benachteiligte Familien und verantwortliches unternehmerisches Handeln.
Kinderarbeit raubt bis heute Millionen Kindern auf der Welt die Chance, ihre Fähigkeiten zu entfalten und zerstört ihre Gesundheit. Weil sie zum Überleben ihrer Familien beitragen, können diese Kinder oft nicht zur Schule gehen und müssen Gewalt und Ausbeutung ertragen. Kinderarbeit ist nicht allein eine Folge von Armut, sondern trägt auch zu ihrer Verfestigung bei. Sie verletzt elementare Rechte der Kinder – und beeinträchtigt die soziale und wirtschaftliche Entwicklung.
Die meisten Kinder arbeiten in der Landwirtschaft (98 Millionen) und als Hilfskräfte im Dienstleistungsbereich (54 Millionen). Im produzierenden Gewerbe arbeiten weltweit schätzungsweise 12 Millionen Kinder und Jugendliche – meist im so genannten informellen Sektor. Ein besonderes Problem stellt die weitgehend «unsichtbare Ausbeutung» von Mädchen und Buben in privaten Haushalten dar.
Brasilien – Herausforderungen für Kinderschutz
Auch im Gastgeberland der Fussball-Weltmeisterschaft ist Kinderarbeit trotz Erfolgen bei der Armutsbekämpfung und beim Zugang zu Bildung nicht überwunden - obwohl fast alle Kinder eingeschult werden. Nach neuesten Erhebungen von UNICEF müssen dort fast 640‘000 brasilianische Mädchen und Buben zwischen fünf und 14 Jahren mindestens 28 Stunden in der Woche arbeiten. In städtischen Regionen im Nordosten und Südosten ist das Problem am grössten. Auch ausbeuterische Kinderarbeit ist trotz Verbot und eines staatlichen Systems von Kontrollen nicht verschwunden – zum Beispiel in der Landwirtschaft in armen Regionen des Landes. Schätzungsweise 24‘000 Kinder leben und arbeiten auf der Strasse. Viele von ihnen sind aus gewalttätigen Elternhäusern geflohen. Über 600‘000 brasilianische Kinder existieren offiziell überhaupt nicht, weil sie keine Geburtsurkunde haben. Diese ist aber Voraussetzung für soziale Unterstützung und Zugang zu Bildung.
In den Metropolen Sao Paulo und Rio de Janeiro werden Heranwachsende aus armen Verhältnissen von kriminellen Gangs rekrutiert und zum Beispiel im Drogenhandel eingesetzt. Brasilien hat weltweit eine der höchsten Mordraten an Jugendlichen: 2011 wurden über 7‘300 Buben und 616 Mädchen getötet. Jeder Dritte Jugendliche wächst in Armut auf.
Ein besonderes Problem, das erst seit Kurzem wahrgenommen wird, ist die Arbeit von Kindern und Jugendlichen in Modelagenturen und im Profifussball. In diesen Zusammenhängen spielen Arbeitsschutz und Kinderrechte bislang kaum eine Rolle. UNICEF hat in einer aktuellen Studie aufgezeigt, dass an vielen Fussballschulen in Brasilien lange Trainingszeiten und Turniere dazu führen, dass Jugendliche regelmässig den Schulunterricht verpassen. Vielfach sind sie von ihrer Familie getrennt. Sexuelle Belästigungen bis hin zu Missbrauch sind auch im Fussballsport bekannt – das bestätigen sowohl ehemalige Spieler als auch die interviewten Erwachsenen wie Trainer und Clubmanager.
Aktionen zur WM
Um die Risiken für benachteiligte Kinder und Jugendliche bei Grossereignissen wie der WM zu verringern, hat UNICEF allein 2013 über 800 Mitarbeiter in den Behörden geschult, darunter auch von der Autobahnpolizei und der Militärpolizei. An den zwölf Austragungsorten der WM wurden 500 Lehrer darauf vorbereitet, Sport als Chance zur Beteiligung behinderter und benachteiligter Kinder zu nutzen. Hunderte Mitarbeiter in Justizbehörden wurden geschult, um minderjährigen Opfern von sexueller Ausbeutung besser zu helfen.
Vor der WM startete UNICEF Brasilien die App «Proteja Brasil». Mit der App können Nutzer einfach und schnell Kinderrechtsverletzungen oder Beobachtungen von Gewalt gegen Kinder an Kinderschutzbehörden melden. Die App hält Informationen zum Thema Gewalt bereit, zeigt die nächstgelegene Anlaufstelle für Betroffene an und weist den Nutzer auf die nationale Hotline «Disque 100» hin. Allein im Jahr 2013 wurden dort landesweit über 252‘000 Fälle von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gemeldet.
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