Am internationalen Tag der Kinderrechte fordert UNICEF: Eine gerechte Chance für jedes Kind

Zürich, 20.11.2015. Seit Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention vor 26 Jahren wurden grosse Fortschritte erzielt. Die Kindersterblichkeit wurde massiv gesenkt und die Schulbildung erhöht. Doch noch immer werden viele Kinder ihrer Rechte entraubt. Noch heute sterben täglich 17’000 Kinder aus vermeidbaren Gründen. Zum internationalen Tag der Kinderrechte am 20. November appelliert UNICEF an alle, sich für die lückenlose Umsetzung der Kinderrechte einzusetzen. Auch in der Schweiz gibt es noch viel zu tun, damit jedes Kind gefördert wird und seine Potenziale entfalten kann.
 

Die UN-Kinderrechtskonvention ist der erfolgreichste Völkerrechtsvertrag: Sie ist seit dem 20. November 1989 in Kraft und wurde von 196 Ländern ratifiziert. Sie hält die internationalen Rechte des Kindes fest und umfasst 54 Artikel zu Überleben, Schutz und Entwicklung von Kindern.

Fortschritte und Herausforderungen für die Zukunft
Die Kinderrechte haben massgeblich zur Verbesserung des Schutzes und der Entwicklungschancen von Kindern beigetragen. So ist die Sterblichkeitsrate von Neugeborenen seit 1990 um 47% gesunken, die Sterblichkeit bei Kindern unter fünf Jahren sogar um 53%. 1.9 Milliarden Menschen erhielten Zugang zu sauberem Trinkwasser und die Müttersterblichkeit wurde beinahe halbiert. Die Neuinfektionen mit HIV bei Kindern von 0 bis 14 Jahren konnte um 58% reduziert werden. Auch Kinderarbeit konnte deutlich gesenkt werden. In Asien zum Beispiel hat sich die Zahl arbeitender Kinder zwischen 2008 und 2012 von 114 auf 78 Millionen Kinder reduziert. Die Zahl der Kinder, die nicht zur Schule gehen, konnte seit 1990 um 44% gesenkt werden, so dass heute über 90% der Kinder weltweit eine Primarschule besuchen, und zwar fast gleich viele Mädchen wie Buben. Dies ist ein enormer Fortschritt, denn Bildung ist das effektivste Mittel gegen Armut.

Trotz erheblicher Fortschritte besteht aber weiterhin grosser Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Kinderrechte. Noch immer sterben täglich 17‘000 Kinder unter 5 Jahren aus vermeidbaren Gründen. Im Jahr 2015 werden geschätzte 5.9 Millionen Kinder sterben, noch bevor sie ihren 5. Geburtstag erreichen. Die Gründe sind Durchfallerkrankungen, Mangelernährung, Lungenentzündungen, vermeidbare Krankheiten aufgrund fehlendem Impfschutz und Komplikationen bei der Geburt. Dies ist ein Kreislauf von Armut, Mangelernährung, Unterentwicklung und Krankheit, den wir durchbrechen müssen. Noch immer sind Millionen von Kindern von jeglichem Fortschritt ausgeschlossen und in verschiedenen Teilen der Welt nimmt die Ungleichheit zu.

Eine gerechte Chance für jedes Kind
Zum Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention veröffentlicht UNICEF den Bericht „For every child, a fair chance: The promise for equity“. Dieser Bericht misst anhand verschiedener Basis Indikatoren bezüglich elementarer humanitärer Bedürfnisse, wo die am stärksten benachteiligten Kinder heute stehen. Das Resultat ergibt, dass die Welt für die ärmsten und am stärksten benachteiligten Kinder trotz der grossen Fortschritte, die seit der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention erreicht wurden, noch immer ein sehr ungerechter Ort ist.  

  • Kinder der reichsten Familien haben eine fast doppelt so grosse Chance zu überleben als jene der ärmsten Familien und eine fünfmal so grosse Chance, eine Schule zu besuchen.
  • Obwohl heute mehr als 90% aller Kinder im Primarschulalter die Schule besuchen, gehen immer noch 59 Millionen Kinder weltweit nicht zur Schule.
  • 159 Millionen Kinder leiden an Unterentwicklung aufgrund von Mangelernährung, zirka die Hälfte davon in lebt in Südasien, ein Drittel davon in Afrika.
  • Mehr als 2,4 Milliarden Menschen oder ein Drittel der Weltbevölkerung haben noch immer keinen adäquaten Zugang zu sanitären Anlagen –  40% davon leben in Südasien; mehr als 660 Millionen Menschen haben noch immer keinen oder ungenügenden Zugang zu sauberem Wasser -  davon lebt die Hälfte in Afrika südlich der Sahara.
  • Mädchen aus den ärmsten Familien sind viermal häufiger gefährdet, vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet zu werden als Mädchen aus den reichsten Familien.
  • Weltweit leben heute 230 Millionen Kinder unter fünf Jahren, die bei der Geburt nicht registriert wurden –  ein Umstand, der enorme Hindernisse bringt, wenn es darum geht, seine Grundrechte einzufordern. Mehr als die Hälfte dieser Kinder ohne Geburtsurkunde leben in Asien.

Der Bericht macht klar, dass die Schliessung dieser anhaltenden Lücken in  Bezug auf die Chancengleichheit eine Investition ist, die sich für alle lohnt, denn die Verbesserung der Lebensbedingungen für Kinder, insbesondere der am meisten benachteiligten, ist das beste Mittel gegen Armut und Benachteiligung. Wenn wir Kinder stärken, stärken wir damit auch ihre Familien, ihre Gemeinschaften, die ganze Gesellschaft und auch die Wirtschaft. Denn in Armut und Konflikten können Kinder ihr volles Potenzial nicht erreichen, sie bleiben zurück und kommen aus der Armutsfalle nicht heraus. Kinder aber, die ihr Potenzial entfalten können, werden zu verantwortungsvollen Mitgliedern und Trägern unserer Gesellschaft. Kinder sind unsere Zukunft. Gerade im Zuge der nachhaltigen Entwicklungsziele, die diesen Sommer von allen UNO-Mitgliedsstaaten verabschiedet wurden und für die nächsten 15 Jahre Gültigkeit haben, ist es an der Zeit, diese Ungerechtigkeiten zu durchbrechen und jedem Kind seine Rechte und eine gerechte Chance zu geben.

Forderungen von UNICEF

  • Um alle Kinder zu erreichen, braucht es internationales Engagement, gemeinsamen Willen und Verbindlichkeit sowie auch nachhaltige Finanzierung. Ungerechtigkeit ist weder unvermeidlich noch unüberwindbar.
  • Um zu eruieren, welche die am stärksten benachteiligten Kinder sind und wo sie leben, braucht es eine bessere, detailliertere Datenerhebung, um dann lokale Gesundheits-, Schul- und Sozialhilfesysteme entsprechend zu stärken.
  • Verteilungsgerechtigkeit bedeutet, sich auf die am meisten benachteiligten Kinder zu konzentrieren, jene aus den ärmsten Familien, jene die in abgelegenen Gebieten leben, auf Flüchtlings- und Migrantenkinder, auf Kinder mit Behinderungen und auf Kinder aus ethnischen Gruppen oder Religionen, die Diskriminierung erfahren.
  • Jedem Kind eine gerechte Chance geben –  insbesondere den am meisten benachteiligten –  damit wir den Teufelskreis der Benachteiligung von Generation zu Generation zu durchbrechen und anstatt dessen einen Kreislauf der Gelegenheiten und der Entwicklung in Gang setzen.
  • Ungerechtigkeit abzuschaffen bedeutet nicht nur, benachteiligten Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen, sondern auch, ihre Lebensbedingungen während der Kindheit und Jugend zu verbessern.
  • Die Kosten der Untätigkeit sind zu hoch, denn die Erfahrung zeigt, dass wachsende Ungerechtigkeit in Schüsselbereichen wie Schulbildung das Risiko für Konflikte erhöhen kann. Im Gegensatz steht höhere Gerechtigkeit in starkem Zusammenhang mit nachhaltigem Wirtschaftswachstum.


Die Kinderrechte in der Schweiz
Die UN-Kinderrechtskonvention ist seit 1997 in der Schweiz verbindlich. Aber auch in der Schweiz ist die Chancengerechtigkeit noch nicht für alle Kinder gleichermassen gegeben. Bund und Kantone sind aufgefordert, ihren Verpflichtungen konsequenter nachzukommen und insbesondere verletzliche Kinder besser zu schützen. Dafür braucht es eine systematische, kantonsübergreifende Datenerhebung, eine gute Koordination zwischen den Kantonen und adäquate Schutzmassnahmen für besonders verletzliche und gefährdete Kinder. Denn alle Kinder in der Schweiz sollen gleich behandelt werden, kein Kind darf aufgrund eines ungeklärten Aufenthaltsstatus, Armut oder einer anderen benachteiligten Situation von Schul-, Ausbildungs- oder Gesundheitssystemen ausgeschlossen werden.

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der jedes Kind überleben kann
Stellen Sie sich nun eine Welt vor, in der jedes Kind genug zu essen hat und sauberes Wasser trinken kann und vor vermeidbaren Krankheiten geschützt ist. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der jedes Kind sein Potenzial entfalten kann und in Schutz und Sicherheit aufwächst. Yoko Ono, die Witwe von John Lennon, hat UNICEF die Rechte am Song „Imagine“ gegeben. Im Rahmen der diesjährigen Öffentlichkeitskampagne möchte UNICEF in der Schweiz mit «Imagine» dazu auffordern, alles daran zu setzen, den Traum einer besseren Welt für Kinder Wirklichkeit werden zu lassen. So haben auch drei Slam Poeten den Song-Inhalt neu interpretiert. Mit ihren Texten slammen Simon Chen, Renato Kaiser und Greis (Grégoire Vuilleumier) für das Überleben von Kindern weltweit.

Einen Einblick in diese Arbeit finden Sie hier.
UNICEF-Bericht „For every child, a fair chance: The promise of equity”: Download hier.

Kontakt für Medien:

Charlotte Schweizer
Mediensprecherin
UNICEF Schweiz
Tel. 044 317 22 41
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