Erklärung des UNICEF-Regionaldirektors für den Nahen Osten und Nordafrika, Edouard Beigbeder.
«Ich habe gerade eine viertägige Mission im Westjordanland und im Gazastreifen abgeschlossen. Die Lage vor Ort ist zutiefst besorgniserregend. Viel zu oft sind die Kinder im Staat Palästina die unschuldigen Opfer dieses unerbittlichen Konflikts. Fast alle der 2,4 Millionen Kinder, die im Westjordanland, einschliesslich Ost-Jerusalem, und im Gazastreifen leben, sind in irgendeiner Weise betroffen. Einige von ihnen leben in ständiger Angst, andere leiden unter den realen Folgen von fehlender humanitärer Hilfe, mangelndem Schutz, Vertreibung, Zerstörung oder gar Tod. Alle Kinder müssen geschützt werden.
Ohne die dringend benötigte Hilfe, die den Gazastreifen erreichen muss, kämpfen etwa eine Million Kinder ums Überleben – und das nicht zum ersten Mal.
Nur wenige Dutzend Kilometer ausserhalb des Gazastreifens lagern mehr als 180 000 Dosen wichtiger Routineimpfstoffe für Kinder, ausreichend, um 60 000 Kinder unter zwei Jahren vollständig zu impfen und zu schützen. Zudem stehen 20 lebensrettende Beatmungsgeräte für neonatale Intensivstationen bereit. Während UNICEF bereit 30 CPAP-Beatmungsgeräte liefern konnte – eine grosse Hilfe für Neugeborene mit akutem Atemnotsyndrom (ARDS) und Frühgeborene – fehlen weiterhin die dringend benötigten Beatmungsgeräte für Säuglinge, die erweiterte Atemunterstützung benötigen.
Tragischerweise haben derzeit etwa 4000 Neugeborene keinen Zugang zu lebenswichtiger medizinischer Versorgung, da die Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen stark beeinträchtigt sind. Jeden Tag sterben ohne diese Beatmungsgeräte Menschenleben – vor allem gefährdete, frühgeborene Kinder im nördlichen Gazastreifen.
UNICEF setzt sich mit aller Kraft dafür ein, dass diese lebensrettenden medizinischen Hilfsgüter für Kinder in den Gazastreifen gelangen dürfen. Es gibt keinen legitimen Grund, dies zu verweigern.
Gemäss dem humanitären Völkerrecht müssen die Grundbedürfnisse der Zivilbevölkerung erfüllt werden. Dies erfordert die ungehinderte Einfuhr von lebensrettenden Hilfsgütern – unabhängig davon, ob ein Waffenstillstand herrscht oder nicht. Jede weitere Verzögerung gefährdet die ohnehin eingeschränkten lebenswichtigen Dienstleistungen und könnte die während des Waffenstillstands erzielten Fortschritte für die Kinder rasch zunichtemachen.
Die Hilfsgüter für Kinder, insbesondere für Neugeborene, müssen geliefert werden, bevor es zu spät ist. Zudem müssen die grundlegenden Dienstleistungen aufrechterhalten werden. Ich besuchte die von UNICEF unterstützte Wasserentsalzungsanlage in Khan Younis im Gazastreifen – die einzige Anlage, die seit November 2024 mit Strom versorgt wurde. Nun ist sie vom Netz genommen und läuft nur noch mit 13 Prozent ihrer Kapazität. Dies hat Hunderttausende Menschen von sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen abgeschnitten.
Im Westjordanland, einschliesslich Ostjerusalem, wurden seit Oktober 2023 mehr als 200 palästinensische und drei israelische Kinder getötet, die höchste Zahl, die in diesem Zeitraum in den letzten zwei Jahrzehnten verzeichnet wurde.
In Dschenin traf ich auf vielen vertriebenen Müttern und Kindern in Notunterkünften. Sie berichteten mir von der Gewalt, der Angst und der unterbrochenen Schulbildung. Sie baten nicht um Almosen, sondern um die Achtung ihrer Rechte und die Möglichkeit, in ihre Häuser zurückzukehren.
UNICEF tut alles, was in unserer Macht steht, um die Kinder im Staat Palästina zu schützen und zu unterstützen. Wir reparieren Wassersysteme, bieten psychologische Betreuung an, richten Lernzentren ein und setzen uns unermüdlich bei Entscheidungsträgern dafür ein, dass Kinder Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten und die Gewalt endet. Doch das allein reicht nicht aus.
Kinder dürfen nicht getötet, verletzt oder vertrieben werden. Alle Parteien müssen ihre Verpflichtungen gemäß dem internationalen Recht erfüllen. Die Grundbedürfnisse und der Schutz der Zivilbevölkerung müssen gewährleistet werden, und humanitäre Hilfe muss schnell und in großem Umfang fließen. Alle Geiseln müssen unverzüglich freigelassen und der Waffenstillstand im Gazastreifen fortgesetzt werden, um eine dauerhafte Lösung des Konflikts zu ermöglichen.
Zehntausende Kinder wurden getötet oder verletzt. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Zahl weiter steigt.»