Der unerbittliche Krieg in Gaza ist der Horror für Kinder

Erklärung des UNICEF-Kommunikationsbeauftragten Salim Oweis zu den Auswirkungen des Konflikts auf Kinder im Gazastreifen.

Ein Bub mit einem amputierten Bein liegt in den Armen seiner Mutter.
Auf dem Bild ist Ahmad (3) aus dem Gazastreifen zu sehen. Ahmad schlief in seinem Haus, als es durch ein Bombardement zerstört wurde. Er erlitt eine Verletzung an seinem Bein und wurde in das Al-Aqsa-Krankenhaus gebracht. Aufgrund von Komplikationen durch Toxine, die aus seiner Verletzung resultierten, wurde er in das Nasser-Krankenhaus verlegt. Dort beschlossen die Ärzte aufgrund der begrenzten medizinischen Ressourcen, seinen Fuss zu amputieren.

«Der unerbittliche Krieg im Gazastreifen versetzt Tausende von Kindern weiterhin in Angst und Schrecken. Viel zu viele werden von ihren Angehörigen getrennt. Am Samstag traf ich den acht Monate alten Yahya. Nach mehreren Anläufen und einer langen, gefährlichen Fahrt durch militärische Kontrollpunkte erreichte Yahya den Norden des Gazastreifens. Dort traf er zum ersten Mal seinen Vater Zakaria.

Der kleine Yahya wurde am 27. November 2023 im Kamal Adwan Krankenhaus geboren. Der Bub war eine Frühgeburt und wurde zur Neugeborenenversorgung ins Shifaa-Krankenhaus verlegt. Kurz darauf begann eine Militäroperation rund um das Shifaa-Krankenhaus und er wurde ins Al-Aqsa-Krankenhaus in Deir al-Balah – im Zentrum des Gazastreifens – evakuiert. Seine Eltern waren jedoch gezwungen, im Norden zu bleiben.

Nach seiner Genesung wurde Yahia schliesslich mit Unterstützung von UNICEF und seinen Partnern in eine sichere, vorübergehende Pflegeeinrichtung gebracht. UNICEF sorgte dafür, dass der Kontakt zu seiner Familie aufrechterhalten wurde. Schliesslich konnte er endlich wieder mit seiner Mutter und seinem Vater vereint werden, die monatelang Ungewissheit und Angst ertragen mussten, bevor sie ihn in die Arme schliessen konnten.

An der erfolgreichen Mission nahmen sieben Kinder aus vier Familien teil. Es war ein seltener Moment der Freude in einer ansonsten trostlosen Umgebung. Jedoch verlief die Mission nicht ohne Schwierigkeiten. Zuvor wurde uns der Zugang dreimal verweigert, trotz vorheriger Koordinierung und anfänglicher Genehmigungen. Erst zwei Wochen vorher wurde ein anderes UNICEF-Fahrzeug, das sich auf einer Wiedervereinigungsmission befand, von drei Kugeln getroffen. Aber unser kleiner Erfolg – Zakaria weinte vor Freude und Erleichterung – ist der Grund, warum wir trotz der vielen Herausforderungen weitermachen.

Ich war schockiert über das Ausmass des Leids, der Zerstörung und der weit verbreiteten Vertreibung in Gaza. Die Bilder, die die Welt im Fernsehen sieht, geben einen wichtigen Einblick in die Hölle, die die Menschen seit über zehn Monaten ertragen müssen. Sie zeigen jedoch nicht in vollem Umfang, wie hinter den eingestürzten Gebäuden ganze Stadtviertel, Lebensgrundlagen und Träume dem Erdboden gleichgemacht wurden.

Wenn man das Bild einer vertriebenen Mutter sieht, die ihr Kind und all ihr Hab und Gut auf dem Rücken trägt, sieht man nicht, dass ihr Hunderte von entwurzelten Menschen auf der Strasse folgen.

Ein verlorenes Kind, wie Yahya, ist in Wirklichkeit die Geschichte von Tausenden.

Das Leben eines Kindes in Gaza im zehnten Monat des Konflikts ist kein Leben. Wir können es nicht oft genug sagen: Es gibt keinen sicheren Ort und sämtliche Ressourcen werden knapp – Lebensmittel, Wasser, Treibstoff, Medikamente. Einfach alles.

Wenn man durch die Labyrinthe von Notunterkünften geht, hat man Mühe, den Sand, auf dem sie liegen, zu erklimmen. Man riecht den starken Geruch von Abwasser, der die Wege umgibt. Man ist überwältigt von den vielen Kindern, die sich um die Wege herumtreiben und nur eine Frage stellen: Mister, wann wird der Krieg enden?

Wasser und Abfall sind ein grosses Problem.

In Deir al-Balah – wohin die meisten Vertriebenen in den letzten Monaten geflohen sind – ist das nur teilweise funktionierende Abwassersystem aufgrund der massiven Vertreibungswellen um das Siebenfache seiner Kapazität überlastet. Folglich ist das jahrzehntealte Abwassernetz grösstenteils verstopft und undicht.

Die Familien baten mich eindringlich um Seife und Hygieneartikel. Sie verwenden Wasser und Salz, um ihre Kinder zu waschen oder kochen Wasser mit Zitronen, um Hautausschläge zu behandeln. Sie erzählen mir, dass die Ärzte weder die Kapazität noch die nötigen Medikamente haben, um die Patienten zu behandeln. Jede Stunde treffen schwerere Fälle ein, und es gibt keine Vorräte mehr in den Regalen. Und so breiten sich die Hautausschläge aus.

Es gibt auch einen gravierenden Mangel an Medikamenten für Kinder mit Vorerkrankungen wie Krebs und angeborenen Krankheiten.

Im Al-Aqsa-Krankenhaus traf ich den zehnjährigen Abdel Rahman, der bei einem Luftangriff eine Beinverletzung erlitt. Sein Bein ist nie verheilt und nach weiteren Arztbesuchen wurde bei ihm Knochenkrebs diagnostiziert. Seine Mutter Samar sagte mit gebrochener Stimme zu mir: «Ich wünschte, mein Kind würde sterben und nicht so leiden wie jetzt – können Sie sich vorstellen, dass ich mir so etwas wünsche?»

Ein krankes Kind im Gazastreifen ist zu einem langsamen Tod verurteilt. Denn es erhält nicht die notwendige Behandlung und wird wahrscheinlich nicht lange genug überleben, um zu überleben.

Ihre einzige Hoffnung auf Überleben ist ein Waffenstillstand. Die Kinder in Gaza klammern sich immer noch an den Glauben, dass dieser Tag kommen wird. UNICEF teilt diese Hoffnung. Ein Waffenstillstand ist immer noch möglich. Er ist notwendiger denn je und längst überfällig. Jeder muss alles in seiner Macht Stehende tun, um sich dafür einzusetzen.»