Sudan: «Zehntausende Kinder könnten sterben»

Zusammenfassung des Statements von UNICEF-Sprecher James Elder, zugeschaltet aus dem Sudan, bei der heutigen Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf.

James Elder mit verletztem Jungen im Krankenhaus.
UNICEF-Sprecher James Elder im Gespräch mit Abu (13), der beim Fussballspielen von einer Granate schwer verletzt wurde. Zwei Freunde starben.

«Die humanitäre Krise für Kinder im Sudan ist, den Zahlen nach, die grösste der Welt. Es ist auch eine Krise der Vernachlässigung. So viele der unzähligen Gräueltaten an Kindern im Sudan wurden nicht gemeldet, oft aufgrund sehr eingeschränkter Zugangsmöglichkeiten.

Am Samstagmorgen spielte eine lokale Jungenfussballmannschaft in einem Kinderschutzzentrum von UNICEF im Bundesstaat Khartum, als eine Granate das Fussballfeld traf. Zwei Jungen wurden getötet; fast die gesamte Mannschaft wurde verletzt. Ich traf diese Kinder im Krankenhaus und im Kinderschutzzentrum von UNICEF. Sie sind völlig verstört.

Gestern sprach ich mit einer leitenden medizinischen Mitarbeiterin, die einen Einblick in das Ausmass der sexualisierten Gewalt während dieses Krieges gab. Sie erklärte, sie habe direkten Kontakt zu Hunderten von Frauen und Mädchen gehabt, die vergewaltigt worden waren - einige von ihnen waren erst acht Jahre alt. Viele wurden wochenlang gefangen gehalten. Sie sprach auch von der erschreckenden Zahl von Babys, die nach Vergewaltigungen geboren und ausgesetzt werden.

Tausende von Kindern wurden im Sudankrieg getötet oder verletzt. Sexualisierte Gewalt und Rekrutierung als Kindersoldat oder Kindersoldatin nehmen zu. Und die Situation ist noch schlimmer dort, wo eine dauerhafte humanitäre Präsenz verweigert wird.

Fünf Millionen Kinder wurden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen – erschreckende 10 000 Mädchen und Buben, die jeden Tag vertrieben werden. Das macht Sudan zur grössten Kindervertreibungskrise der Welt. Viele der Kinder mussten mehrfach fliehen.

Seit über einem Jahr warnen wir, dass Sudans Kinder nicht warten können. Jetzt sterben sie. Die Hungersnot im Flüchtlingslager Zamzam ist die erste Feststellung einer Hungersnot durch das Famine Review Committee seit mehr als sieben Jahren. Es ist überhaupt erst das dritte Mal, dass eine Hungersnot festgestellt wurde, seit das Überwachungssystem vor 20 Jahren geschaffen wurde.

Wir müssen es ganz deutlich sagen: Ohne besseren, sicheren und ungehinderten Zugang – insbesondere über Grenzen und Konfliktlinien hinweg – besteht die Gefahr, dass sich die bisher nur in einem Teil des Sudan festgestellte Hungersnot ausbreitet und zu einem katastrophalen Verlust von Kinderleben führt.

Zusätzlich zum Zamzam Camp stehen weitere 13 Gebiete im Sudan am Rande einer Hungersnot. Dort leben erschreckenderweise 143 000 Kinder, die bereits an der tödlichsten Form von Mangelernährung leiden. Experten geben keine Prognosen zur Sterblichkeit ab, aber die aktuelle Situation erfordert, dass Regierungen mit Einfluss und Geldgeber Folgendes begreifen:

Wenn nicht gegengesteuert wird, könnten in den kommenden Monaten Zehntausende sudanesische Kinder sterben. Zehntausende. Und das ist keineswegs das schlimmste Szenario.

Jeder Krankheitsausbruch wird die Sterblichkeitsrate in die Höhe schnellen lassen. Krankheiten sind unsere grösste Angst. Bei einem Ausbruch von Masern, Durchfall oder Atemwegsinfektionen werden sich die Aussichten für die Kinder im Sudan dramatisch verschlechtern. Hinzu kommt, dass sich Krankheiten unter den derzeitigen Lebensbedingungen und bei starken Regenfällen und Überschwemmungen wie ein Lauffeuer verbreiten.

Die Kinder und Familien im Sudan brauchen heute dringend:

  • Ungehinderten und sicheren humanitären Zugang auf allen Wegen, über Konfliktlinien (insbesondere Darfur, Khartum und Kordofan) und über die Grenzen des Sudan hinweg.
  • Die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte.
  • Eine massive Aufstockung der Gebermittel, um den Zusammenbruch wichtiger Systeme zu verhindern. Mitarbeitende müssen bezahlt, lebensrettende Vorräte bereitgestellt und die kritische Infrastruktur aufrechterhalten werden.
  • Einen sofortigen Waffenstillstand.

Inmitten dieser komplexen Katastrophe für Kinder bleibt UNICEF vor Ort im Sudan und leistet Hilfe. Beispiele für die bisher im Jahr 2024 geleistete Hilfe sind: UNICEF und Partner haben fünf Millionen Kinder und Familien mit sauberem Trinkwasser und mehr als drei Millionen Menschen mit lebenswichtigen Gesundheitsvorräten versorgt. Weitere drei Millionen Kinder wurden auf Mangelernährung untersucht. UNICEF transportiert weiterhin lebensrettende Nahrungsmittelvorräte durch grenzüberschreitende Operationen, die ausreichen, um 215 000 schwer unterernährte Kinder zu behandeln. Stellen Sie sich vor, was UNICEF und Partner mit mehr Zugang tun könnten.

Ich komme auf das zurück, womit ich dieses Briefing begonnen habe: auf den Tod der Kinder, die Fussball spielten. Der Kapitän und beste Spieler der Mannschaft war auch einer der jüngsten. Die Granatsplitter töteten ihn. Als ich seine Teamkollegen fragte, wann sie wieder spielen wollten, war ihre Antwort einheitlich: «Niemals».

Indem sie die Augen vor dem Sudan verschliessen und immenses Leid ignorieren, setzen die Kriegsparteien und die internationale Gemeinschaft einen gefährlichen Präzedenzfall für globale Gleichgültigkeit gegenüber Kindern fort.»