Kinder im Sudan: Eine Generation in Gefahr

Eine Zusammenfassung der Aussagen von Lucia Elmi, Direktorin der UNICEF-Notfallprogramme im Palais des Nations in Genf.

Drei Kinder halten sich an den Händen

«Heute Morgen möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Kinder im Sudan lenken – gefangen in einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt. Ich bin letzte Woche aus einem Land zurückgekehrt, in dem Konflikt, Vertreibung und Hunger das Leben junger Menschen zerstören.

Mehr als 16 Millionen Kinder im Sudan benötigen dringend Hilfe. Fast 17 Millionen Kinder können seit zwei Jahren nicht zur Schule gehen. Mädchen sind schwerwiegenden Gefahren ausgesetzt, darunter sexuelle Gewalt, Menschenhandel und Zwangsheirat. Über 12 Millionen Menschen sind von geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht.

Kinder werden getötet, verstümmelt und vertrieben – täglich werden schwere Menschenrechtsverletzungen gemeldet. Viele von ihnen werden von bewaffneten Gruppen rekrutiert oder zur Arbeit und zu frühen Ehen gezwungen. Die psychische Belastung ist verheerend – Krieg, Verlust und Vertreibung hinterlassen Kinder mit Angst, Depressionen und Traumata. Dringende Massnahmen sind erforderlich, um sie zu schützen.

Doch es wird immer schwieriger, diese Kinder zu erreichen. Während meines letzten Besuchs reiste ich nach Kassala, Gedaref und Wad Madani, wo ich sah, wie Mädchen und Buben auf Mangelernährung untersucht wurden, Mütter verzweifelt nach medizinischer Hilfe für ihre Kinder suchten und Familien dringend auf sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen angewiesen waren. Der Bedarf ist enorm – doch die Hilfe erreicht die Menschen nicht in dem notwendigen Umfang und Tempo.

Gleichzeitig erlebte ich auch etwas Erstaunliches – vertriebene Familien und aufnehmende Gemeinden, die ihre Fähigkeiten einbringen, um humanitäre Hilfe zu leisten; Kinder, die mit Begeisterung in provisorischen Lernzentren lernen und spielen. Für viele von ihnen ist es das erste Mal, dass sie eine Schule besuchen – sie stammen aus Regionen, in denen es zuvor keine Bildungseinrichtungen gab. Diese Zentren sind mehr als nur Orte des Lernens – sie bedeuten Normalität, Hoffnung und Schutz.

Ich sah auch Busse, vollgepackt mit den wenigen Habseligkeiten, die Familien mitnehmen konnten, auf dem Weg zurück in Gebiete, in denen die Kämpfe abgeklungen sind – Seenja, Sennar und Wad Madani. Eltern wagen vorsichtig den Schritt nach Hause, in der Hoffnung, dass die Lage stabil bleibt und sie ihr Leben wieder aufbauen können. Doch ich traf auch Familien, die keinen Ort haben, zu dem sie zurückkehren können. Ihre Dörfer sind zerstört, ihre Gemeinschaften zerschlagen. Sie stecken in einem Niemandsland fest – ohne Hoffnung auf eine Zukunft.

Die Bereitstellung humanitärer Hilfe wird durch bürokratische und administrative Hürden erschwert, die den Zugang zu Konfliktgebieten behindern. Anhaltende Kämpfe, ethnisch motivierte Gewalt und direkte Angriffe auf humanitäre Helferinnen und Helfer und Hilfsorganisationen verschärfen die ohnehin dramatische Lage. Plünderungen und Gewalt haben dazu geführt, dass Hilfseinsätze in mehreren Regionen ausgesetzt werden mussten.

Im vergangenen Jahr hat sich die Nahrungsmittelkrise im Sudan zur Hungersnot entwickelt – eine Entwicklung, vor der wir lange gewarnt haben. Jetzt verschlimmert sich die Situation weiter. Seit April 2023 hat sich die Zahl der Menschen mit akuter Ernährungsunsicherheit verdreifacht. In mindestens fünf Regionen, darunter Flüchtlingslager in Nord-Darfur und die Westlichen Nuba-Berge, herrschen Hungersnot-Bedingungen.

Landesweit werden 3,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren in diesem Jahr an akuter Mangelernährung leiden, darunter 770 000 Kinder in schwerster Form, die tödlich sein kann – sie sind elfmal häufiger von tödlichen Krankheiten betroffen als gut ernährte Kinder.

Doch diese Krise ist nicht nur eine Frage der Nahrung. Ohne sauberes Wasser, sanitäre Einrichtungen und Gesundheitsversorgung werden die Kinder nicht überleben. In den von Hungersnot betroffenen Gebieten sind die grundlegenden Dienste zusammengebrochen.

Trotz der immensen Herausforderungen bleibt UNICEF vor Ort aktiv. Im Jahr 2024 konnten wir:

  • Psychosoziale Unterstützung, Bildung und Schutzmassnahmen für 2,7 Millionen Kinder und ihre Betreuenden bereitstellen.
  • 9,8 Millionen Menschen mit sicherem Trinkwasser versorgen.
  • 6,7 Millionen Kinder auf Mangelernährung untersuchen und 422 000 von ihnen lebensrettende Behandlung ermöglichen.
  • Im Jahr 2025 werden wir unsere Nothilfe fortsetzen, gleichzeitig aber daran arbeiten, wesentliche Dienste wiederherzustellen und die Widerstandsfähigkeit in den am stärksten betroffenen Gebieten zu stärken.

Der Sudan droht, eine ganze Generation zu verlieren. Wir fordern alle Akteure auf, jetzt zu handeln:

  • Zugang zu humanitärer Hilfe über Konfliktlinien und Grenzen hinweg garantieren.
  • Humanitäre Helferinnen und Helfer und Hilfsgüter schützen.
  • Die Finanzierung erhöhen, um den wachsenden Bedürfnissen gerecht zu werden.
  • Die Gewalt beenden.

Die Kinder im Sudan können nicht warten. Die Welt muss jetzt handeln.»