Dies ist eine Zusammenfassung der Aussagen des UNICEF-Sprechers James Elder anlässlich der gestrigen Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf.
«Das vergangene Jahr war für die Kinder der Ukraine ein Jahr der Gewalt, der Angst und des Verlustes. Es gibt keinen einzigen Aspekt in ihrem Leben, den der Krieg nicht beeinträchtigt hat: unzählige Kinder wurden getötet, verletzt und aus ihren Häusern vertrieben.
Inmitten von Chaos, Stress und Erschöpfung sehen sich ukrainische Familien nun mit einer sich verschärfenden Finanzkrise konfrontiert. Die Einkommensverluste sowie die durch den Krieg ausgelösten Energie- und sozioökonomischen Krisen sind für die Familien verheerend. UNICEF-Studien zufolge hat sich der Prozentsatz der Kinder, die in Armut leben, innerhalb eines Jahres fast verdoppelt und liegt nun bei über 80 Prozent.
Tausende Kinder sind landesweit auf der Flucht. Ihnen fehlt es unter anderem an lebenswichtigen Impfungen. Grund dafür sind nicht zuletzt zahlreiche Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, die Berichten zufolge durch starken Beschuss und zerstört oder beschädigt wurden. Als Reaktion darauf hat UNICEF für fünf Millionen Kinder und Frauen überlebenswichtige Gesundheitsdienste bereitgestellt.
Um die ukrainischen Familien zu entlassen, unterstützt UNICEF knapp 250 Tausend Haushalte mit Bargeldhilfen. Ausserdem konnte über eine Million Kinder in der Ukraine mit Lernmaterial versorgt und mehr als 5,5 Millionen Menschen Zugang zu sauberem Wasser verschafft werden.
Nach einem Jahr voller Angst, Ungewissheit und Vertreibung wird den ukrainischen Kindern immer mehr bewusst, dass die Welt unbeständig und unberechenbar ist. Der Verlust ihres grundlegenden Gefühls der Sicherheit hat katastrophale Auswirkungen ihrer emotionalen und sozialen Entwicklung.
Der psychischen Gesundheit der Kinder und ihren Bedürfnissen in dieser Notlage muss oberste Priorität eingeräumt werden. Bis jetzt konnte UNICEF 4,6 Millionen Kindern und ihren Betreuungspersonen psychische und psychosoziale Unterstützung bieten.
Was die ukrainische Bevölkerung natürlich am meisten braucht, ist Frieden. Doch die Realität der Kinder sieht deutlich anders aus.
Ich bin fast auf den Tag genau vor einem Jahr in der Ukraine angekommen, hier in Lviv. Am Morgen bin ich in jenes Krankenhaus gegangen, in dem ich schon unzählige Male das unendlich tapfere medizinische Personal getroffen habe. Die Mitarbeitenden des Krankenhauses sind zurzeit sowohl als chirurgisches Personal als auch als psychischer Beistand tätig: als chirurgisches Personal für Kinder mit schrecklichen Kriegsverletzungen, die in diesem Krieg schweren Raketenbeschuss und Luftangriffen ausgeliefert sind, als psychischer Beistand für jene gebrochenen Eltern, die trotz aller Bemühungen das Krankenhaus ohne ihre Kinder verlassen müssen.
Vor einer Stunde sass ich mit einem aufgeweckten, wortgewandten und tapferen ukrainischen Kind zusammen. Es handelt sich um einen Teenager, dessen Körper von Granatsplittern gezeichnet ist, die er bei einem Artillerieangriff erlitten hat, als er versuchte, Wasser für seine Familie in der Nähe von Bakhmut zu holen. Er hat grosse Schmerzen, aber er konzentriert sich auf den unbekannten Aufenthaltsort seiner beiden Schwestern. Am Ende des Ganges liegt ein zweijähriges Mädchen, ebenfalls aus Bahkmut, das nach einem Artillerieangriff gelähmt ist.
Das Jahr, in dem die Kinder der Ukraine leiden müssen, scheint schockierender Weise kein Ende zu nehmen.»