Kinderrechte gelten auch für Geflüchtete Kinder und Jugendliche

Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. Alle Menschen haben das Recht auf Schutz. Der anhaltende Ukrainekrieg sowie weitere Konflikte und Kriege weltweit führen uns jedoch täglich vor Augen, dass diesem Schutzrecht vielerorts nicht nachgekommen wird. Kinder und Jugendliche leiden häufig besonders stark an Ausmass und Folgen von Kriegen. Obwohl ihnen nach Artikel 38 der Konvention über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen (KRK) ein besonderes Recht auf Schutz in bewaffneten Konflikten zukommt.

Weltflüchtlingstag

Nach Angaben der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) gab es bereits 6,5 Millionen Grenzübertritte in die ukrainischen Nachbarstaaten. Innerhalb des Landes wurden laut aktuellem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bereits über acht Millionen Menschen durch den Krieg vertrieben. Geflüchtet sind besonders gefährdete Personengruppen. So befinden sich mittlerweile etwa 2,2 Millionen Kinder auf der Flucht. In der Schweiz zeigen aktuelle Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM), dass bis Mitte Juni mehr als 56 000 Anträge für den Schutzstatus S gestellt wurden. Die Statistik des Fürstentums Liechtenstein weist bis Mitte Juni 78 minderjährige Schutzsuchende aus. Aber auch abseits des Ukrainekriegs sind weltweit Menschen auf der Flucht vor Gewalt, Krieg und Zerstörung und anderen Krisen.

Diese Zahlen sind schwer zu fassen. Gerade deshalb ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass hinter jeder abstrakten Nummer ein Menschenleben steht. In der Schweiz und in Liechtenstein sprechen wir also aktuell von zehntausenden persönlichen Schicksalen von Menschen, die ihr Zuhause verlassen mussten. Als Aufnahmeland stehen wir nicht nur aufgrund der moralischen Verantwortung, sondern auch internationaler Verträge wie der Kinderrechtskonvention, in der Pflicht, etwas zu tun. 

In der Schweiz und in Liechtenstein zeigt sich eine grosse Solidarität gegenüber den Flüchtlingen aus der Ukraine. Neben finanziellen Spenden helfen viele Schweizerinnen und Schweizer sowie Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner auch praktisch. In diesem Zusammenhang hat UNICEF Schweiz und Liechtenstein ein Merkblatt für die private Unterbringung von Flüchtlingen erarbeitet. Auch von politischer Seite wurden schnell Massnahmen ergriffen, um Flüchtlinge zu unterstützen. Besonders wichtig bei allen Initiativen ist es, Kinder und Jugendliche zu schützen, sie zu integrieren und die Massnahmen nachhaltig umzusetzen. Der Staat ist verpflichtet, sich um langfristige Lösungen zu bemühen. Ausserdem ist die Verwaltung auch bei privaten Unterbringungen und Unterstützungsleistungen in der Verantwortung, den Schutz der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten. Als Hilfestellung hat UNICEF Schweiz und Liechtenstein Empfehlungen zum Kindesschutz im Asylverfahren erarbeitet und ein Merkblatt für Gemeinden und Kantone verfasst.

Gerade auf kommunaler Ebene, dem unmittelbaren Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen müssen Angebote und Strukturen bereitstehen, die fördernd und schützend sind. Kantone und Gemeinden sind derzeit stark gefordert, beispielsweise in Bezug auf die Unterbringung von Flüchtlingen. Aufgrund des Rückgangs respektive der nur temporären Verfügbarkeit von Angeboten reagieren einige mit schnellen Lösungen wie Containerdörfern. Sofortige Lösungen sind wichtig, dennoch sind kinderfreundliche Lebensräume besonders in Hinblick auf die geflüchteten Kinder und Jugendlichen von besonderer Bedeutung. Diese sind Orte der Inklusion und Integration, Rückzugsorte aber auch Orte des gemeinsamen Spiels und gegenseitigen Lernens. Für die Resilienz von Kindern und Jugendlichen sind zwischenmenschliche Beziehungen und ein stabiles und sicheres Umfeld besonders wichtig. Das gilt in besonderem Masse für geflüchtete Kinder und Jugendliche, damit sie von den traumatischen Erlebnissen nicht lebenslang belastet und in ihrer Entwicklung gehindert werden.

Auch Kinder und Jugendliche in der Schweiz und in Liechtenstein werden von allen Seiten mit dem Krieg konfrontiert – es gibt Gesprächsbedarf. Deshalb hat UNICEF Schweiz und Liechtenstein ein Merkblatt für Erwachsene erstellt, wie man mit Kindern und Jugendlichen über den Krieg sprechen kann, sowie ein Merkblatt für Jugendliche, wie sie am besten mit Krisensituationen umgehen können. 

Der Krieg in der Ukraine wird nicht morgen oder übermorgen enden, sondern seine Auswirkungen werden langanhaltende Folgen haben. Auch andere Konflikte werden nicht plötzlich vorbei sein. Zusätzlich entstehen neue Fluchtbewegungen auch durch den Klimawandel, beispielsweise drängt Dürre viele Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist es notwendig, sich dessen bewusst zu sein und nicht nur reaktive, kurzweilige Antworten auf die Problemlagen zu finden, sondern langfristige Lösungen zu entwickeln und dabei insbesondere auch die verletzlichsten Gruppen zu berücksichtigen. 

Kinder und Jugendliche sind von Krisen immer besonders schwer betroffen. Die Kinderrechte weisen den Weg, wie man diesen Herausforderungen begegnet: Kinder und Jugendliche müssen zu jeder Zeit geschützt, gefördert und miteinbezogen werden. Und das gilt für alle, auch für geflüchtete Kinder Jugendliche – nicht nur aus der Ukraine. Daher betont UNICEF Schweiz und Liechtenstein folgende Punkte in Bezugnahme auf die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, die in Liechtenstein 1996 und in der Schweiz 1997 ratifiziert wurde und somit verbindliches Recht darstellt:

Kinder und Jugendliche schützen

  • Unterbringungen und Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, müssen Kinderschutzbestimmungen beachten und regelmässig geprüft werden (Art. 25, 27 KRK)
  • Die Privatsphäre und persönliche Integrität von Kindern und Jugendlichen müssen eingehalten werden (Art. 16 KRK)
  • Es bedarf einer kindsgerechten Anhörung von Kindern und Jugendlichen im Asylverfahren. Dies bedingt die Schulung von Fachpersonen (Art. 3 KRK)
  • Kinder und Jugendliche müssen vor sämtlichen Formen von Gewalt, Ausbeutung und Übergriffen geschützt werden (Art. 11, 19, 32-36 KRK)

Kinder und Jugendliche fördern

  • Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Bildung. Es braucht Angebote, die ihnen über sämtliche Altersgruppen einen Zugang zum Bildungssystem ermöglichen. Dabei soll auch im Sinne einer bestmöglichen Entwicklung keine Separation, sondern Integration in bestehende Strukturen stattfinden. (Art. 28, 29 KRK)
  • Psychosoziale Angebote sollen für Kinder und Jugendliche in der Muttersprache angeboten werden, damit sie die Möglichkeit bekommen, das Erlebte einzuordnen und aufzuarbeiten sowie das Ankommen zu begleiten (Art. 39 KRK)
  • Kinder und Jugendliche brauchen einen gleichwertigen Zugang zum Gesundheitssystem (Art. 24 KRK)
  • Kinder und Jugendliche brauchen Freiräume und Angebote, um sich bestmöglich zu entwickeln (Art. 31 KRK)

Kinder und Jugendliche miteinbeziehen

  • Die Meinung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen muss bei der Erarbeitung von Massnahmen, die sie betreffen, beachtet werden (Art. 12, 13 KRK) 
  • Relevante Informationen müssen in Sprache und Form so aufbereitet sein, dass Kinder und Jugendliche sie verstehen können und sie ihnen zugänglich sind (Art 13,17, 30 KRK)
  • Es darf kein Unterschied zwischen Kindern oder Jugendlichen aus unterschiedlichen Herkunftsländern gemacht werden. In der Schweiz und in Liechtenstein lebende Kinder und Jugendliche sollen alle gleich behandelt werden, unabhängig derer Herkunft. (Art. 2 KRK) 
  • Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie Institutionen und Organisationen müssen über Kinderrechte aufgeklärt werden (Art. 42 KRK)

Hier finden Sie weiterführende Dokumente von UNICEF Schweiz und Liechtenstein:

Bleiben Sie dran. 
Erfahren Sie immer das Neueste von UNICEF.