Dies ist eine Zusammenfassung der Aussagen von Peter Hawkins, dem UNICEF-Vertreter im Jemen. Die Aussagen wurden bei der heutigen Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf gemacht.
«Der Konflikt im Jemen hat einen tragischen Meilenstein erreicht – mehr als ein Jahrzehnt unaufhörlicher Gewalt, mit nur kurzen, brüchigen Phasen der Ruhe, der Kindern ihre Kindheit geraubt, ihre Zukunft zerstört und eine ganze Generation in einen endlosen Kampf ums Überleben gestürzt hat.
Heute stehe ich vor Ihnen, um nicht nur Zahlen zu nennen, sondern den Stimmen von Millionen von Kindern Gehör zu verschaffen. Kindern, die in einer der schlimmsten humanitären Langzeitkrisen der Welt gefangen sind. Eine Krise, die von Hunger, Entbehrung und einer alarmierenden Eskalation geprägt ist.
Jedes zweite Kind unter fünf Jahren im Jemen ist akut unterernährt. Über 537 000 leiden an schwerer akuter Mangelernährung (SAM) – einem Zustand, der quälend, lebensbedrohlich und völlig vermeidbar ist. Mangelernährung schwächt das Immunsystem, hemmt das Wachstum und raubt Kindern ihr Potenzial. Doch im Jemen ist sie mehr als eine Gesundheitskrise – sie ist für Tausende ein Todesurteil.
Ebenso erschreckend ist die Lage von 1,4 Millionen schwangeren und stillenden Frauen, die unter Mangelernährung leiden. Dies setzt einen Teufelskreis des Leidens fort – von einer Generation zur nächsten.
Diese Katastrophe ist nicht naturgegeben. Sie ist menschengemacht.
Über ein Jahrzehnt des Konflikts hat die Wirtschaft, das Gesundheitssystem und die Infrastruktur des Jemen zerstört. Selbst in Zeiten geringerer Gewalt bleiben die strukturellen Folgen für Kinder gravierend. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Lebensmittelpreise sind seit 2015 um 300 Prozent gestiegen. Lebenswichtige Häfen und Strassen – essenziell für die Versorgung mit Nahrung und Medikamenten – sind beschädigt oder blockiert.
Trotz dieser extremen Herausforderungen bleibt UNICEF vor Ort und leistet lebensrettende Hilfe für Kinder. 2025 unterstützen wir weiterhin 3200 Gesundheitseinrichtungen, versorgen 600 000 unterernährte Kinder, betreiben 70 mobile Teams, finanzieren 42 000 kommunale Gesundheitshelfer und unterhalten 27 therapeutische Ernährungszentren.
Doch damit diese Hilfe weitergeht, brauchen wir nachhaltige Finanzierung. Andernfalls droht 7,6 Millionen Menschen im Jemen der Verlust des Zugangs zur medizinischen Grundversorgung. Unser Aufruf für 2025 ist erst zu 25 Prozent finanziert – ohne dringend benötigte Mittel können wir nicht einmal die minimalen Dienste aufrechterhalten, die wir derzeit anbieten.
Für die 537 000 Kinder mit schwerer akuter Mangelernährung zählt jede Minute. Ein Kind mit SAM hat ein 11-mal höheres Sterberisiko als seine gesunden Altersgenossen. Ohne Behandlung werden sie still und leise sterben. Selbst jene, die überleben, werden ihr Leben lang unter den Folgen leiden – kognitive Beeinträchtigungen, chronische Krankheiten, der Verlust wirtschaftlicher Perspektiven. Dies ist nicht nur eine Tragödie für den Jemen – es ist ein Versagen der Menschheit.
Letzten Monat traf ich in Taiz die dreijährige Amina. Ihre Mutter lief zwölf Kilometer auf der Suche nach einer UNICEF-Nahrungsklinik, ihr skelettdünnes Kind fest umklammert. Heute geht es Amina besser – doch ihre Zukunft hängt davon ab, ob wir sie weiterhin unterstützen können.
Das erfordert drei Dinge:
- Erstens: Eine vollständige Finanzierung der Hilfe. Für unsere Massnahmen im Jahr 2025 benötigen wir zusätzlich 157 Millionen Dollar. Nur mit nachhaltigen Investitionen können wir Unterernährung, Krankheiten, mangelnde Bildung und all das Leid bekämpfen, das Kinder im Jemen ertragen müssen.
- Zweitens: Einen sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe. Alle Konfliktparteien müssen die Lieferung von Hilfsgütern gewährleisten und humanitären Helfern erlauben, ihre lebensrettende Arbeit zu tun. Wir fordern die Freilassung inhaftierter UN-Mitarbeiter und humanitärer Helfer.
- Und drittens – am wichtigsten: Ein Ende des Konflikts.
Die Kinder im Jemen können nicht noch ein weiteres Jahrzehnt warten. Sie brauchen Frieden. Sie brauchen Gerechtigkeit. Aber vor allem brauchen sie unser Handeln – jetzt. Lassen wir sie nicht im Stich.»