Alarmierende Rückschritte bei impfpräventablen Krankheiten

UNICEF, WHO und Gavi fordern anhaltende Investitionen in Impfprogramme angesichts drohender Finanzierungsengpässe.

Schluckimpfung eines Kleinkindes
Sudan: Im Rahmen der nationalen Polio-Impfkampagne erreicht Gesundheitshelfer Mahmoud mit seinem Team das abgelegene Barqiq-Tal in der Red Sea State, um Kinder unter fünf Jahren zu impfen und mit Vitamin-A zu versorgen.

Die Bemühungen um weltweite Impfungen geraten zunehmend unter Druck, da Fehlinformationen, Bevölkerungswachstum, humanitäre Krisen und Kürzungen bei der Finanzierung den Fortschritt gefährden und Millionen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen einem Risiko aussetzen. Davor warnen die WHO, UNICEF und Gavi anlässlich der Weltimpfwoche vom 24. bis 30. April.

Die weltweiten Ausbrüche impfpräventabler Krankheiten wie Masern, Meningitis und Gelbfieber nehmen zu. Krankheiten wie Diphtherie, die in vielen Ländern lange Zeit eingedämmt oder nahezu verschwunden waren, drohen wieder aufzuflammen. Als Reaktion darauf rufen die Organisationen zu dringender und dauerhafter politischer Aufmerksamkeit und Investitionen auf, um Impfprogramme zu stärken und die bedeutenden Fortschritte bei der Senkung der Kindersterblichkeit in den vergangenen 50 Jahren zu sichern.

«Impfstoffe haben in den letzten fünf Jahrzehnten über 150 Millionen Leben gerettet», sagte Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO. «Kürzungen bei der globalen Gesundheitsfinanzierung gefährden diese hart erkämpften Erfolge. Weltweit nehmen Ausbrüche impfpräventabler Krankheiten zu, was Menschenleben gefährdet und Länder mit zusätzlichen Kosten für Krankheitsbehandlungen und Reaktionen auf Ausbrüche belastet. Länder mit begrenzten Ressourcen müssen in Massnahmen mit der grössten Wirkung investieren – und dazu gehören Impfstoffe.»

Zunehmende Ausbrüche und überlastete Gesundheitssysteme
Besonders gefährlich ist das Wiederauftreten der Masern. Die Fallzahlen steigen seit 2021 kontinuierlich, was mit rückläufigen Impfraten während und nach der COVID-19-Pandemie in vielen Gemeinschaften zusammenhängt. Im Jahr 2023 wurden weltweit schätzungsweise 10,3 Millionen Masernfälle verzeichnet – ein Anstieg um 20 Prozent im Vergleich zu 2022.
Die Organisationen warnen, dass sich dieser Aufwärtstrend wahrscheinlich auch 2024 und 2025 fortsetzt, da die Ausbrüche weltweit zunehmen. In den letzten 12 Monaten meldeten 138 Länder Masernfälle, 61 davon verzeichneten grosse oder störende Ausbrüche – die höchste Zahl innerhalb eines 12-Monats-Zeitraums seit 2019.

Auch die Meningitisfälle in Afrika stiegen 2024 stark an, und dieser Trend setzte sich 2025 fort. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden in 22 Ländern über 5500 Verdachtsfälle und fast 300 Todesfälle gemeldet. Im Vorjahr waren es rund 26 000 Fälle und fast 1400 Todesfälle in 24 Ländern.

Gelbfieberfälle in der afrikanischen Region steigen ebenfalls. 2024 wurden in 12 Ländern 124 bestätigte Fälle gemeldet. Dies geschieht nach einem drastischen Rückgang der Krankheit im vergangenen Jahrzehnt, der durch globale Impfstoffvorräte und den Einsatz des Gelbfieberimpfstoffs in Routineimpfprogrammen ermöglicht wurde. In der Region Amerika wurden seit Jahresbeginn ebenfalls Ausbrüche bestätigt – mit insgesamt 131 Fällen in vier Ländern.

Diese Ausbrüche ereignen sich vor dem Hintergrund globaler Finanzierungskürzungen. Eine aktuelle Bestandsaufnahme der WHO unter 108 Länderbüros – vor allem in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen – zeigt, dass fast die Hälfte dieser Länder moderate bis schwere Störungen bei Impfkampagnen, Routineimpfungen und dem Zugang zu Impfstoffen aufgrund reduzierter Spendenmittel verzeichnen. Auch die Krankheitsüberwachung, einschliesslich derjenigen für impfpräventable Krankheiten, ist in über der Hälfte der befragten Länder betroffen.

Gleichzeitig steigt die Zahl der Kinder, die keine Routineimpfungen erhalten, seit einigen Jahren an. Dies trotz der Bemühungen der Länder, Kinder nachzuimpfen, die während der Pandemie versäumt wurden. Im Jahr 2023 verpassten schätzungsweise 14,5 Millionen Kinder alle Routineimpfungen – ein Anstieg gegenüber 13,9 Millionen im Jahr 2022 und 12,9 Millionen im Jahr 2019. Über die Hälfte dieser Kinder lebt in Ländern, die von Konflikten, Fragilität oder Instabilität betroffen sind, wo der Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten häufig unterbrochen ist.

«Die globale Finanzierungskrise schränkt unsere Fähigkeit massiv ein, über 15 Millionen gefährdete Kinder in fragilen und konfliktbetroffenen Ländern gegen Masern zu impfen», sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. «Impfdienste, Krankheitsüberwachung und Reaktionen auf Ausbrüche sind in fast 50 Ländern bereits gestört – mit Rückschritten auf einem ähnlichen Niveau wie während COVID-19. Wir können es uns nicht leisten, im Kampf gegen vermeidbare Krankheiten zurückzufallen.»

Investitionen in die im Jahr 2023 gestartete «Big Catch-Up»-Initiative, die Kinder erreichen soll, die während der COVID-19-Pandemie keine Impfungen erhalten haben, sowie in andere Routineimpfprogramme sind von entscheidender Bedeutung.

Wie Impfungen zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen
Gemeinsame Anstrengungen von WHO, UNICEF, Gavi und Partnern haben Ländern geholfen, den Zugang zu Impfstoffen auszuweiten und Impfsysteme über die primäre Gesundheitsversorgung zu stärken. Selbst angesichts wachsender Herausforderungen. Jährlich retten Impfstoffe fast 4,2 Millionen Leben vor 14 Krankheiten. Knapp die Hälfte davon in der afrikanischen Region.

Impfkampagnen führten zur Eliminierung der Meningitis A im afrikanischen Meningitis-Gürtel. Ein neuer Impfstoff, der gegen fünf Meningitisstämme schützt, verspricht einen breiteren Schutz, wobei derzeit daran gearbeitet wird, seinen Einsatz zur Reaktion auf Ausbrüche und zur Prävention auszuweiten.

Auch bei der Reduktion von Gelbfieberfällen und -todesfällen wurden Fortschritte erzielt: Durch eine steigende Durchimpfungsrate bei Routineimpfungen und durch Notfallimpfstoffvorräte. Die jüngsten Ausbrüche in Afrika und in der Region Amerika verdeutlichen jedoch die Risiken in Gebieten ohne vorherige Fälle, mit niedriger Durchimpfungsrate und Lücken in vorbeugenden Kampagnen.

Zudem wurden in den letzten zwei Jahren bedeutende Fortschritte in anderen Bereichen der Impfungen erzielt. In der afrikanischen Region – mit der weltweit höchsten Belastung durch Gebärmutterhalskrebs – verdoppelte sich die HPV-Impfrate zwischen 2020 und 2023 nahezu von 21 Prozent auf 40 Prozent. Dies spiegelt ein gemeinsames globales Engagement zur Eliminierung von Gebärmutterhalskrebs wider. Der Fortschritt umfasst auch eine steigende globale Abdeckung mit Pneumokokken-Konjugatimpfstoffen, insbesondere in der Region Südostasien, sowie deren Einführung in Ländern mit hoher Krankheitslast wie Tschad und Somalia.

Ein weiterer Meilenstein ist die subnationale Einführung von Malariaimpfstoffen in fast 20 afrikanischen Ländern. Dies bildet die Grundlage dafür, bis 2035 eine halbe Million zusätzlicher Leben zu retten, während weitere Länder die Impfstoffe übernehmen und der Ausbau voranschreitet – als Teil des Werkzeugkastens im Kampf gegen Malaria.

Ein Appell zum Handeln
UNICEF, WHO und Gavi fordern Eltern, die Öffentlichkeit und die Politik eindringlich auf, ihre Unterstützung für Impfungen zu verstärken. Die Organisationen betonen die Notwendigkeit nachhaltiger Investitionen in Impfstoffe und Impfprogramme und drängen die Länder, ihre Verpflichtungen zur «Impfagenda 2030» (IA2030) einzuhalten.

Als Teil integrierter primärer Gesundheitssysteme kann Impfung nicht nur vor Krankheiten schützen, sondern Familien auch mit anderen essenziellen Versorgungen verbinden, wie pränataler Betreuung, Ernährung oder Malaria-Screening. Impfungen zählen zu den besten Investitionen im Gesundheitswesen – mit einer Kapitalrendite von 54 Dollar für jeden investierten Dollar – und bilden das Fundament für zukünftigen Wohlstand und Gesundheitssicherheit.

«Die zunehmenden Ausbrüche hochansteckender Krankheiten sind ein weltweites Anliegen. Die gute Nachricht ist: Wir können dagegen ankämpfen. Gavis nächste strategische Phase verfolgt einen klaren Plan, unsere Verteidigung zu stärken. Durch Investitionen in globale Impfstoffvorräte und gezielte präventive Impfungen in Ländern, die besonders von Meningitis, Gelbfieber und Masern betroffen sind», sagte Dr. Sania Nishtar, Geschäftsführerin der Impfstoffallianz Gavi. «Diese lebenswichtigen Massnahmen sind jedoch in Gefahr, wenn Gavi für die kommenden fünf Jahre nicht vollständig finanziert wird. Wir appellieren an unsere Geldgeber, unsere Mission zu unterstützen. Im Interesse der Sicherheit aller Menschen überall vor vermeidbaren Krankheiten.»

Der bevorstehende hochrangige Gavi-Gebergipfel am 25. Juni 2025 hat zum Ziel, mindestens neun Milliarden US-Dollar von Gebern einzuwerben, um die ehrgeizige Strategie zur Immunisierung von 500 Millionen Kindern umzusetzen und mindestens acht Millionen Leben von 2026 bis 2030 zu retten.