Für Kinder in bewaffneten Konflikten war 2024 eines der verheerendsten Jahre in der Geschichte. Eine umfassende Analyse aktueller Daten zeigt, dass die Auswirkungen von Krieg und Gewalt auf Kinder weltweit ein noch nie dagewesenes Ausmass erreicht haben.
Mehr Kinder als je zuvor leben in Konfliktgebieten oder wurden durch Gewalt und Krieg vertrieben. Mehr als 473 Millionen Kinder – etwa eines von sechs Kindern weltweit – wachsen in Regionen auf, die von bewaffneten Konflikten geprägt sind [1]. Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es nicht mehr so viele bewaffnete Konflikte auf der Welt [2]. Besonders alarmierend ist, dass sich der Anteil der Kinder, die in Konfliktgebieten leben, seit den 1990er-Jahren fast verdoppelt hat – von 10 % auf heute fast 19 % [3].
Bis Ende 2023 waren 47,2 Millionen Kinder aufgrund von Konflikten und Gewalt vertrieben worden [4], und die Trends für 2024 deuten auf weitere Vertreibungen aufgrund der Verschärfung von Konflikten hin, u. a. in Haiti, Libanon, Myanmar, dem Staat Palästina und dem Sudan. Kinder machen 30 Prozent der Weltbevölkerung aus, stellen aber im Durchschnitt etwa 40 Prozent der Flüchtlinge und 49 Prozent der Binnenvertriebenen. [5] In Ländern, die von Konflikten betroffen sind, ist im Durchschnitt mehr als ein Drittel der Bevölkerung arm (34,8 Prozent), verglichen mit etwas mehr als 10 Prozent in nicht von Konflikten betroffenen Ländern [6].
Die Kinder in diesen Regionen leiden unter Bedingungen, die ihre Grundrechte und Überlebenschancen massiv beeinträchtigen. Viele von ihnen sterben, werden verletzt, können keine Schule besuchen, sind mangelernährt oder verpassen lebensrettende Impfungen. 2023 verifizierten die Vereinten Nationen bereits 32 990 schwere Verstösse gegen die Rechte von 22 557 Kindern [7] – ein trauriger Rekord seit Beginn der vom Sicherheitsrat angeordneten Überwachung. Angesichts der aktuellen Lage ist in diesem Jahr mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Im Gazastreifen beispielsweise hat die Gewalt tausenden Kindern das Leben gekostet, und die Zahl der verletzten Kinder in der Ukraine stieg 2024 im Vergleich zum Vorjahr stark an [8].
Besonders besorgniserregend ist die Situation für Frauen und Mädchen, denn es gibt zahlreiche Berichte über Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt in Konfliktgebieten. In Haiti ist die Zahl der gemeldeten Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder in diesem Jahr um 1000 Prozent gestiegen [9]. In bewaffneten Konflikten sind auch Kinder mit Behinderungen überproportional häufig von Gewalt und Rechtsverletzungen betroffen.
Konflikte haben verheerende Auswirkungen auf die Bildung. Schätzungsweise 52 Millionen Kinder in Konfliktgebieten besuchen keine Schule. Im Gazastreifen und Teilen des Sudans haben viele Kinder seit über einem Jahr keinen Zugang zu Bildung, während Schulen in der Ukraine, Syrien und der Demokratischen Republik Kongo zerstört oder zweckentfremdet wurden. Der Verlust von Bildungschancen ist eine langfristige Bedrohung für ihre Zukunft und ihre Gemeinschaften.
Konflikte verschärfen den Hunger, da sie Ernährungssysteme unterbrechen, die Bevölkerung vertreiben und den Zugang für humanitäre Hilfe behindern. Die Mangelernährung von Kindern in Konfliktgebieten hat daher alarmierende Ausmasse angenommen. Im Sudan wurde im August gar zum ersten Mal seit 2017 eine Hungersnot festgestellt.
Der Zugang zu wichtiger medizinischer Versorgung wird durch Konflikte ebenfalls negativ beeinflusst. Etwa vierzig Prozent der nicht oder unzureichend geimpften Kinder leben in Ländern, die entweder ganz oder teilweise von Konflikten betroffen sind [10].
Auch die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Kinder sind enorm. Wenn Kinder Gewalt, Zerstörung und den Verlust geliebter Menschen erleben, können sie unter anderem mit Depressionen, Albträumen und Schlafstörungen, aggressivem oder zurückgezogenem Verhalten, Traurigkeit und Angst reagieren.
Das Jahr 2024 ist auch das bisher tödlichste Jahr für humanitäre Helfer, denn mit 281 Todesopfern weltweit übertrifft es alle bisherigen Rekorde. [11]
UNICEF fordert alle Konfliktparteien und diejenigen, die Einfluss auf sie haben, auf, entschiedene Massnahmen zu ergreifen, um das Leiden der Kinder zu beenden, ihre Rechte zu gewährleisten und ihre Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht einzuhalten.
«Nach fast allen Massstäben war 2024 eines der schlimmsten Jahre in der Geschichte von UNICEF für Kinder in Konflikten», sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. «Dies darf nicht die neue Normalität werden. Wir können nicht zulassen, dass eine Generation von Kindern zu Kollateralschäden der unkontrollierten Kriege in der Welt wird. Die Welt lässt diese Kinder im Stich. Mit Blick auf das Jahr 2025 müssen wir mehr tun, um das Blatt zu wenden und das Leben der Kinder zu retten und zu verbessern.»