Gazastreifen: Knapp 3000 mangelernährte Kinder in Lebensgefahr

Vertreibung, Angriffe auf das Gesundheitswesen und der schlechte Zugang zu humanitärer Hilfe verschärfen die ohnehin schon prekäre Ernährungssituation der Kinder im Gazastreifen.

Der Armumfang eines Mädchens wird gemessen.
Die vierjährige Amal wird in einem von UNICEF unterstützten Kinderarztzelt in Rafah auf ihren mittleren Oberarmumfang hin untersucht, um ihre Unterernährung festzustellen.

Im südlichen Gazastreifen beeinträchtigt die erschütternde Gewalt und die andauernde Vertreibung weiterhin den Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und -diensten. Knapp 3000 Kinder leiden unter mittelschwerer bis schwerer akuter Mangelernährung und können aufgrund der verheerenden Situation vor Ort nicht entsprechend behandelt werden. Sie sind einem lebensbedrohlichen Risiko ausgesetzt. Basierend auf Berichten von UNICEFs Ernährungspartnern entspricht die Anzahl der gefährdeten Mädchen und Buben knapp drei Vierteln jener 3800 Kinder, die vor der Eskalation des Konfliktes in Rafah lebensrettende Hilfsmassnahmen erhalten haben.

Besorgniserregend ist auch die drohende Gefahr, dass weitere gefährdete Kinder an Mangelernährung erkranken. Während sich die Versorgungssituation im Norden aufgrund von Nahrungsmittelhilfen leicht verbessert hat, verschlechtert sich der Zugang für humanitäre Hilfe im Süden drastisch. Erste Ergebnisse der jüngsten Mangelernährungsuntersuchungen in den mittleren und südlichen Gouvernements des Gazastreifens deuten darauf hin, dass die Fälle von mittelschwerer und schwerer Mangelernährung seit der zweiten Maiwoche gestiegen sind. Diese Zunahme erfolgte aufgrund der Eskalation der Offensive in Rafah, die eine erhebliche Einschränkung der Hilfslieferungen und einen mangelnden Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen zur Folge hatte.

«Aus dem Gazastreifen tauchen immer wieder schreckliche Bilder von Kindern auf, die vor den Augen ihrer Familien sterben, weil es nach wie vor keine Nahrungsmittel gibt und die Gesundheitsdienste zerstört wurden», sagte die UNICEF-Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika, Adele Khodr. «Wenn die Behandlung dieser 3000 Kinder nicht schnell wieder aufgenommen wird, besteht die unmittelbare und ernste Gefahr, dass sie schwer krank werden, lebensbedrohliche Komplikationen erleiden und sich in die wachsende Liste der Mädchen und Buben einreihen, die durch diese sinnlose, von Menschen verursachte Notlage getötet wurden.»

Die Gefahr steigender Fälle von Mangelernährung tritt zeitgleich mit dem Zusammenbruch der Behandlungsdienste für Mangelernährung auf. Derzeit sind nur zwei der drei Stabilisierungszentren im Gazastreifen in Betrieb, die schwer mangelernährte Kinder behandeln. Unterdessen wurden Pläne zur Eröffnung neuer Zentren aufgrund der anhaltenden Militäroperationen im gesamten Gebiet des Gazastreifens verzögert.

Die Behandlung eines Kindes bei akuter Mangelernährung erfordert in der Regel sechs bis acht Wochen ununterbrochene Betreuung und umfasst spezielle therapeutische Nahrung, sauberes Wasser und andere medizinische Unterstützung.

Mangelernährte Kinder sind einem erhöhten Risiko von Krankheiten und weiteren Gesundheitsproblemen ausgesetzt. Dies liegt unter anderem an ihrem begrenzten Zugang zu sauberem Wasser, dem Überlauf von Abwässern, Infrastrukturschäden und einem Mangel an Hygieneartikeln. Die Wasserproduktion im Gazastreifen beträgt heute weniger als ein Viertel dessen, was vor der Intensivierung der Feindseligkeiten im Oktober produziert wurde.

«Unsere Warnungen vor steigenden Kindersterblichkeitsraten aufgrund einer vermeidbaren Kombination aus Mangelernährung, Dehydrierung und Krankheiten hätten sofortige Massnamen zur Rettung von Kinderleben auslösen sollen. Und doch setzt sich diese Verwüstung fort», sagte Khodr. «Mit zerstörten Krankenhäusern, unterbrochenen Behandlungen und knappen Vorräten müssen wir uns auf weiteres Leiden und den Tod von Kindern vorbereiten.»

Seit Oktober 2023 hat UNICEF zehntausende Frauen und Kinder mit Präventions- und Behandlungsdiensten für Mangelernährung erreicht. Diese umfassen die Verwendung von gebrauchsfertiger therapeutischer Nahrung, fertig zubereiteter Säuglingsnahrung und vorbeugenden energiereichen Keksen. Zusätzlich werden schwangeren Frauen Nahrungsergänzungsmittel mit Mikronährstoffen, einschliesslich Eisen und anderen lebenswichtigen Nährstoffen, zur Verfügung gestellt.

«UNICEF hat weitere Nahrungsmittellieferungen vorbereitet, die im Gazastreifen ankommen sollen, wenn der Zugang möglich ist», sagte Khodr. «Die Organisationen der Vereinten Nationen wollen sicherstellen, dass die humanitären Massnahmen sicher und ohne Unterbrechung durchgeführt werden können, um die Hilfsgüter für Kinder und ihre Familien zu sammeln und zu verteilen. Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen vor Ort, mehr Sicherheit und weniger Einschränkungen. Aber letztlich ist es ein Waffenstillstand, den die Kinder am meisten benötigen.»