Am 24. Februar 2022 wurde aus dem jahrelangen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ein Krieg, der zwischenzeitlich fast das ganze Land im Griff hatte. Was das für die Kinder und Familien in der Ukraine für Folgen hat und wie UNICEF dank grosszügigen Spenden hilft, erfahren Sie in diesem Blog.
Für Daryna ging vor einem Jahr die Welt unter. Die 16-Jährige aus der ostukrainischen Stadt Selydowe kennt Krieg zwar bereits seit neun Jahren, doch was sie seit dem 24. Februar 2022 erleben musste, hat ihre Kindheit jäh beendet. Am schlimmsten trifft es sie, dass ihre Schule bei einer Explosion vollständig zerstört wurde. «Dieser Ort war mein zweites Zuhause. Ich habe mehr Zeit hier verbracht als daheim. Und plötzlich ist alles weg», sagt die Teenagerin traurig. Die Bomben hätten nicht nur ihre Schule zerstört, sondern auch all ihre Kindheitserinnerungen.
Ein ungewisses Leben im Krieg, so wie es Daryna kennt, das ist seit einem Jahr die traurige Realität für den Grossteil der ukrainischen Bevölkerung. 17,7 Millionen Menschen in der Ukraine, davon 3,3 Millionen Kinder, sind aktuell auf humanitäre Hilfe angewiesen. 5,9 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Weitere 7,9 Millionen Menschen haben das Land seit Kriegsausbruch verlassen. Im vergangenen Jahr sind in der Ukraine 1148 Kinder wegen des Krieges ums Leben gekommen oder wurden verletzt. 1,5 Millionen Kinder haben psychische Probleme als Folge des Kriegs. Die Schulbildung von schätzungsweise 5,7 Millionen Kindern wurde unterbrochen.* Das sind die harten Fakten.
In all dieser Dunkelheit gibt es aber auch Lichtblicke. Einer ist das Schicksal von Theona. Die Vierjährige leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung. Wegen des Krieges musste sie mit ihren Eltern aus ihrer Heimat in der Region Cherson nach Lwiw fliehen. Dort nahm die Familie Kontakt zu den Spezialisten des Kinderzentrums auf, das im Rahmen eines UNICEF-Projekts betrieben wird. Hier lernt sie, mithilfe der PECS-Methode (Picture Exchange Communication System) zu kommunizieren, bei der sie anhand von Bildern ihre Gefühle erklären kann. Seither könne sie sich viel besser ausdrücken und ihre Laune sei auch besser geworden, freut sich Theonas Mutter.
Das Schicksal von Theona ist aber nur eines von vielen Beispielen, wie UNICEF dank grosszügiger Unterstützung von Spenderinnen und Spendern helfen konnte.
Der Ansatz von UNICEFs Hilfe
Die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung, insbesondere auch aus dem Privatsektor, ist seit Kriegsausbruch am 24. Februar 2022 beispiellos. Von den 987 Millionen US-Dollar an Finanzierungsbedarf konnten 2022 87% mit Spenden gedeckt werden. Um die Spenden rasch am richtigen Ort einsetzen zu können, entwickelte UNICEF eine Strategie, bei der die humanitäre Hilfe im Land nach Zonen aufgeteilt wurde.
Zone 1 umfasst den Südosten des Landes, insbesondere die Regionen an der Kriegsfront, wo es immer wieder zu Zugangsbeschränkungen kommt. Dort setzt UNICEF in Zusammenarbeit mit anderen UN-Organisationen mobile Krisenreaktionsteams und humanitäre Konvois ein und engagiert Gemeinden, regionale und lokale Verwaltungen sowie Partner aus der Zivilgesellschaft, um ihre Hilfe umzusetzen. Ausserdem werden dort Hilfsgüter wie Medikamente, Wasser und Nahrungsmittel zur Unterstützung von Kindern, Frauen und anderen gefährdeten Personen, einschliesslich der Vertriebenen, bereitgehalten. Fünfzig Prozent der derzeitigen UNICEF-Vorräte sind in Zone 1 gelagert. Es wurden neue Niederlassungen in Odessa, Poltawa und Charkiw eröffnet und mehr Mitarbeiter in diese Teile des Landes entsandt. Ausserdem ist UNICEF seit September 2022 mit Winterhilfe aktiv und verteilt unter anderem Winterpakete und stattet Krankenhäuser mit Heizungen, Wärmepumpen und Heizmaterial aus. Schwerer Beschuss in vielen Gebieten hat Wohnhäuser sowie wichtige Energieinfrastruktur beschädigt. Immer wieder kommt es deshalb im ganzen Land zu Stromausfällen. Dies bedeutet für die Menschen in der Ukraine nicht nur, dass sie zeitweise kein Licht und keine Heizung haben. Auch der Zugang zu Wasser ist damit eingeschränkt. Brennstoffe sind ebenfalls knapp.
Die Zone 2 umfasst die zentralen und westlichen Teile des Landes, wo der Zugang zur Bevölkerung verhältnismässig problemlos funktioniert. Dort nutzt UNICEF die bestehenden nationalen Systeme und engagiert lokale Behörden (auf regionaler und kommunaler Ebene) sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, um seine humanitäre Hilfe durchzuführen.
Seit der Eskalation des Krieges im Februar 2022 ist die Zahl der UNICEF-Mitarbeitenden in der Ukraine von 91 auf 241 gestiegen, wobei 33 Prozent des Personals in den verschiedenen Regionalbüros tätig ist. In den nächsten Monaten sollen nochmals 140 weitere Mitarbeitende hinzukommen.
Der Kriegsausbruch löste aber auch die grösste Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg aus. Innerhalb der ersten zwei Wochen nach Kriegsbeginn flüchteten mehr als zwei Millionen Menschen aus der Ukraine über die Grenzen. Inzwischen ist diese Zahl auf 8 Millionen registrierte Flüchtlinge innerhalb Europas angewachsen (Stand: Februar 2023).
Als erste Reaktion verstärkte UNICEF sofort die Präsenz in den benachbarten Ländern, um geflüchtete Familien mit dem Nötigsten zu versorgen. Entlang der Fluchtrouten wurden Anlaufstellen, sogenannte Blue Dots, für geflüchtete Kinder und ihre Familien eingerichtet. UNICEF schafft dort kindgerechte Orte, an denen sich Mädchen und Buben erholen und spielen können. Geschulte Mitarbeitende helfen den Kindern, die Erlebnisse und Traumata zu verarbeiten, und kümmern sich auch um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Mütter von Kleinkindern können sich in geschützte Räume zurückziehen, etwa zum Stillen und Wickeln der Kinder. Eltern können sich in den Blue Dots über weitere Hilfsangebote informieren. Ausserdem erhalten Familien dort Hilfsgüter wie Hygieneartikel und Decken.
Was Ihre Hilfe bisher bewirkt hat
In der Ukraine
Seit Kriegsausbruch konnten dank UNICEF rund 5 Millionen Kinder und Frauen medizinisch erstversorgt werden. UNICEF unterstützte im Jahr 2022 über 1000 Gesundheitseinrichtungen in 24 Regionen des Landes mit medizinischen Hilfskits und medizinischem Equipment, wie zum Beispiel Beatmungsgeräten, Anästhesiegeräten, Sterilisatoren, Defibrillatoren, Ultraschallgeräten, Inkubatoren, Patientenmonitoren, Sauerstoffkonzentratoren und EKG-Aufzeichnungsgeräten sowie Generatoren. Um den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern, stellte UNICEF 15 Krankenwagen für 8 Oblaste (Regionen) in der Ukraine zur Verfügung. Ausserdem wurden in der Region Lwiw 4 Einrichtungen in Kinder- und Entbindungskliniken wiederaufgebaut, um angemessene Bedingungen für eine sichere stationäre Behandlung von Kindern und Schwangeren zu gewährleisten. Mehr als 402 000 Menschen, darunter 204 000 Kinder, in 22 Oblasten profitierten von durch UNICEF geleiteten ärztlichen Hausbesuchen. So konnten Tausende Haushalte von qualitativer ärztlicher Versorgung profitieren, ohne dass sie dafür weit durch Kriegsgebiete reisen mussten. UNICEF lieferte ausserdem Impfdosen, u.a. gegen Kinderlähmung, Hepatitis B, Tetanus oder Covid-19, aus. Ausserdem wurde sichergestellt, dass die Kühlkette gewährleistet war.
Mehr als 5,5 Millionen Menschen wurden mit sauberem Wasser versorgt. Hierfür wurden Wasser- und Abwassernetze repariert, Ausrüstung wie Rohre oder Pumpen geliefert und Chemikalien für die Wasseraufbereitung bereitgestellt. Ausserdem stellte UNICEF sauberes Wasser in Gesundheits- und Bildungseinrichtungen zur Verfügung. Rund 1,7 Millionen Menschen wurden u.a. mit Hygieneprodukten, Wassercontainern und Wasseraufbereitungstabletten versorgt.
Mehr als 3,3 Millionen Kinder und Betreuungspersonen konnten mit psychosozialen Unterstützungsangeboten und rund 1,5 Millionen Kinder mit Bildungsangeboten erreicht werden. UNICEF konzentrierte sich darauf, sichere Räume für Kinder in Schulen zu schaffen und die Kontinuität des Lernens durch Schulsanierung, Verteilung von Lehr- und Lernmaterial, Sensibilisierung für Sicherheitsmassnahmen und Bereitstellung von Schulbüchern zu gewährleisten. UNICEF hat ausserdem den bereits durch die Covid-19-Pandamie etablierten Online-Unterricht weiter ausgebaut.
Dank einem speziell für sie eingerichteten Schutzraum können die 112 Kinder in diesem Kindergarten wieder in Ruhe ihre Mittagspause verbringen. Zuvor mussten sie sich bei Luftalarm hinter einer Wand verstecken. Jetzt wird ihr Schlaf nicht mehr gestört.
Damit die Kinder weiterhin Schulen und Kindergärten besuchen können, um soziale Kontakte zu knüpfen und in Sicherheit zu sein, baut UNICEF zusammen mit Partnerorganisationen in den am stärksten betroffenen Gebieten Schutzräume und Schulen wieder auf. Darüber hinaus stellt UNICEF die notwendigen Hilfsgüter und Materialien für verschiedene Aktivitäten und für den Komfort der Kinder in den Unterkünften bereit.
Über 220 000 Haushalte erhielten von UNICEF Bargeldhilfe, damit Familien ihre Grundbedürfnisse, wie Nahrung und Wärme, decken konnten. Die bedingungslose Bargeldhilfe ermöglichte es den Familien, das Geld entsprechend ihren spezifischen Bedürfnissen zu verwenden.
In umliegenden Ländern, die Flüchtlinge beherbergen
UNICEF unterstützt Programme und Hilfsmassnahmen für ukrainische Flüchtlinge in mittlerweile 19 Ländern, u.a. in Polen, Moldawien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, Belarus, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Griechenland, Italien, Montenegro, Serbien, in der Slowakei und der Türkei.
So konnte UNICEF Flüchtlingen dringend benötigten Schutz, zum Beispiel in sogenannten «Blue Dots», gewähren, über 470 000 Frauen und Kindern mit medizinischer Grundversorgung helfen und rund 115 000 Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgen. Über 1 Million Kinder auf der Flucht konnten von Bildungsangeboten, einschliesslich Früherziehung, profitieren und rund 55 000 Haushalte wurden mit Bargeldhilfe unterstützt. Mehr als 1,2 Millionen Kinder und Erziehungsberechtigte erhielten Zugang zu psychosozialer Unterstützung. Mehr als 10,5 Millionen Menschen wurden durch UNICEFs Krisenkommunikation erreicht. UNICEF ging 54 Partnerschaften mit nationalen und subnationalen Behörden ein, um Sozialdienste für Flüchtlinge weiter aufzubauen.
So geht UNICEFs Hilfe weiter
Auch 2023 wird UNICEF alle Anstrengungen unternehmen um den Menschen in der Ukraine zu helfen. Wir werden unsere Hilfe beibehalten und ausweiten, einschliesslich im Bereich Schutz, bei Lieferung lebensrettender Hilfsgüter, Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen, Verbesserung der Kapazitäten der sozialen Dienste, der Vorbereitung auf zusätzliche Vertreibungen und Unterstützung der Regierungssysteme.
Den Fokus wird UNICEF dort legen, wo die Not am grössten ist und der Konflikt weiter andauert. Dazu werden Nothilfe-Teams entsandt, humanitäre Konvois eingesetzt, eine Notfallplanung vorgenommen, wichtige Hilfsgüter vorrätig gehalten und mit den lokalen Verwaltungen und Partnern aus der Zivilgesellschaft zusammengearbeitet. In leichter zugänglichen Gebieten werden nationale Systeme, Gemeinden und zivilgesellschaftliche Organisationen einbezogen, wobei die kurzfristige Nothilfe auch langfristige Entwicklungs- und Friedensförderung miteinbeziehen wird.
In den Aufnahmeländern wird UNICEF unter anderem länderspezifische humanitäre Dienste und Hilfsgüter zur Verfügung stellen, den Zugang zu kritischen Dienstleistungen für Flüchtlinge sowie zu Bildungsangeboten weiter vereinfachen, Blue Dots weiterführen und Bargeldhilfe leisten.
UNICEF wird weiterhin tatkräftig vor Ort direkt den Menschen helfen, die unsere Hilfe brauchen. Unsere Arbeit ist noch nicht getan. Wenn Sie uns (weiterhin) dabei unterstützen wollen, dann sind wir dankbar für jeden Beitrag.