Klimakrise trifft Bildung weltweit: Eine Viertelmilliarde Kinder 2024 davon betroffen

Mindestens 242 Millionen Schülerinnen und Schüler in 85 Ländern litten laut einer heute veröffentlichten UNICEF-Analyse im Jahr 2024 unter Schulunterbrechungen aufgrund extremer Klimaereignisse. Diese Entwicklung verschärft eine bereits bestehende Bildungskrise erheblich.

Zwei Schüler am Weg in die Schule in Pakistan.
Pakistan: Daniyal Ahmad (8) und sein Bruder Hakim Ahmad (6) auf dem Heimweg nach dem Unterricht im von UNICEF unterstützten Lernzentrum im Dorf Allah Dina Channa. «Es ist unser dritter Tag in dieser neuen Schule,» sagt Daniyal, dessen Familie durch die verheerenden Überschwemmungen 2022 ihr Zuhause verlor.

Zum ersten Mal untersucht der Bericht «Learning Interrupted: Global Snapshot of Climate-Related School Disruptions in 2024», der am Internationalen Tag der Bildung veröffentlicht wurde, klimabedingte Gefahren, die zu Schulschliessungen oder erheblichen Unterrichtsstörungen führten, sowie deren Auswirkungen auf Kinder vom Vorschul- bis zum Sekundarschulniveau.

Hitzewellen waren die häufigste klimatische Ursache für Schulunterbrechungen. Allein im April 2024 waren über 118 Millionen Schülerinnen und Schüler betroffen. In Bangladesch und auf den Philippinen kam es zu grossflächigen Schulschliessungen, während in Kambodscha der Unterricht um zwei Stunden verkürzt wurde. Im Mai stiegen die Temperaturen in Teilen Südasiens auf 47 Grad Celsius, wodurch Kinder einem erhöhten Risiko für Hitzschläge ausgesetzt waren.

Einige Länder wurden von mehreren klimatischen Gefahren gleichzeitig getroffen. In Afghanistan etwa zerstörten schwere Sturzfluten im Mai mehr als 110 Schulen, was Tausende Kinder vom Unterricht ausschloss.

Kinder sind besonders gefährdet 

«Kinder sind besonders anfällig für die Auswirkungen wetterbedingter Krisen, darunter stärkere und häufigere Hitzewellen, Stürme, Dürren und Überschwemmungen», erklärte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. «Die Körper von Kindern erhitzen sich schneller, schwitzen weniger effizient und kühlen langsamer ab als die von Erwachsenen. In Klassenzimmern ohne Abkühlung können sie sich nicht konzentrieren, und wenn der Weg zur Schule überschwemmt ist oder Schulen zerstört werden, bleibt ihnen der Zugang zur Bildung verwehrt.»

Im September – zu Beginn des Schuljahres in vielen Ländern – kam es zu den meisten Unterbrechungen. Mindestens 16 Länder setzten den Unterricht in dieser entscheidenden Phase aufgrund extremer Wetterereignisse aus. In Ostasien und der Pazifikregion betraf Taifun Yagi 16 Millionen Kinder.

Bildungssysteme überfordert

Südasien war 2024 die am stärksten betroffene Region mit 128 Millionen Schülerinnen und Schülern, die von klimatischen Gefahren beeinträchtigt wurden. In Ostasien und der Pazifikregion litten 50 Millionen Kinder unter den Folgen extremer Wetterereignisse. El Niño verschärfte die Situation in Afrika durch Überschwemmungen in Ostafrika und schwere Dürre im südlichen Afrika.

Weltweit scheitern Bildungssysteme bereits daran, den Bedürfnissen von Millionen Kindern gerecht zu werden. Überfüllte Klassenzimmer, ein Mangel an Lehrkräften und unzureichende Infrastruktur werden durch klimatische Gefahren weiter verschärft. Ausserdem können steigende Temperaturen, Stürme oder Überschwemmungen dazu beitragen, dass die Ausstattung von Schulen beschädigt und unsichere Lernbedingen geschaffen werden. Die Konzentration und mentale, sowie körperliche Gesundheit der Kinder wird dadurch zunehmend beeinträchtigt.

Besonders in fragilen Kontexten machen längere Schulschliessungen eine Rückkehr in die Klassenzimmer unwahrscheinlicher und erhöhen das Risiko von Kinderehen und Kinderarbeit. Mädchen sind oft überproportional betroffen, da sie ein höheres Risiko haben, die Schule abzubrechen und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt zu sein.

UNICEF fordert klimaresiliente Schulen

Die Analyse zeigt, dass fast 74 Prozent der betroffenen Schülerinnen und Schüler in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen lebten, doch keine Region blieb verschont. Auch in Europa kam es zu Schulunterbrechungen: Im September fielen in Italien über 900 000 Schülerinnen und Schülern wegen Überschwemmungen aus, in Spanien waren im Oktober 13 000 Kinder betroffen.

Schulen und Bildungssysteme sind laut Bericht grösstenteils unzureichend darauf vorbereitet sind, die Kinder vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Das liegt unter anderem daran, dass Investitionen in den Bildungssektor zur Anpassung an klimatische Gefahren auffallend niedrig bleiben. Zudem fehlen umfassende globale Daten über schulische Unterbrechungen durch klimatische Ereignisse.

UNICEF arbeitet eng mit Regierungen und Partnern zusammen, um klimaresiliente Klassenzimmer zu bauen und anzupassen, damit Kinder besser vor extremen Wetterbedingungen geschützt werden. In Mosambik beispielsweise, das häufig von Zyklonen betroffen ist, richteten allein in den letzten zwei Monaten Zyklon Chido und Zyklon Dikeledi erheblichen Schaden an. Diese beiden Ereignisse beeinträchtigten die Bildung von 150 000 Schülerinnen und Schülern. Als Antwort darauf hat UNICEF den Bau von mehr als 1150 klimaresilienten Klassenzimmern in rund 230 Schulen des Landes unterstützt.

Bereits im November warnte UNICEF im Bericht «State of the World’s Children», dass Klimakrisen zwischen 2050 und 2059 weiter zunehmen werden. Prognosen zufolge werden achtmal mehr Kinder extremen Hitzewellen und dreimal mehr extremen Flussüberschwemmungen ausgesetzt sein als in den 2000er Jahren.

Kinder müssen vor Folgen des Klimawandels geschützt werden

«Bildung ist einer der am häufigsten von klimatischen Gefahren unterbrochenen Dienste. Dennoch wird sie in politischen Diskussionen oft übersehen», sagte Russell. UNICEF fordert die Staats- und Regierungschefs sowie den privaten Sektor dringend auf, Kinder vor den zunehmenden Klimafolgen zu schützen:

  • Nationale Klimapläne müssen gestärkt werden, um kinderfreundliche soziale Dienste wie Bildung klima- und katastrophensicher zu machen.
  • Investitionen in klimaintelligente Lernumgebungen müssen priorisiert werden.
  • Die Finanzierung für klimaresiliente Bildung muss beschleunigt werden.
  • Klimawandelbildung muss in Lehrplänen verankert werden.

«Die Zukunft der Kinder muss im Zentrum aller Klimapläne stehen», betont Russell.