Eine neue Studie von UNICEF Schweiz und Liechtenstein und UN Global Compact Network Switzerland & Liechtenstein untersucht, inwiefern Banken, Vermögens- und Anlageverwalter sowie Versicherungsgesellschaften in der Schweiz und in Liechtenstein das Leben von Kindern beeinflussen und einen Beitrag zur Wahrung ihre Rechte leisten können.
Finanzinstitute treffen Entscheidungen über Kreditvergabe, Investitionen und Risikoübernahme, die sich auf Unternehmen in jedem Sektor auswirken. Aufgrund ihrer globalen Reichweite und der Vielfalt der Branchen können sich diese Entscheide in vielerlei Hinsicht auch auf Kinder auswirken – sowohl positiv als auch negativ. Beispiele für positive Auswirkungen umfassen die Verbesserung von Lebensbedingungen oder der Gesundheit von Kindern durch das Angebot nachhaltiger oder thematischer Anlageprodukte oder Sparkonten für Kinder. Negativ wirkt sich indessen aus, indem die Finanzunternehmen Kredite an Unternehmen vergeben, die ihren Mitarbeitenden keinen existenzsichernden Lohn bezahlen, sie in Unternehmen investieren, die Kinder für gefährliche Arbeiten beschäftigen oder Projekte versichern, die die Umsiedlung von ganzen Gemeinschaften erfordern, einschliesslich Kindern.
Die vorliegende Studie «Children’s Rights and Finance: How the Swiss and Liechtenstein financial industry can promote and protect children’s rights» ist die erste Erhebung, die untersucht, wie die Hauptakteure der Schweizer und Liechtensteiner Banken, Vermögensverwalter und Versicherungsgesellschaften das Leben von Kindern beeinflussen und wie diese Finanzinstitute die Rechte der Kinder wahren können. Die Studie konzentriert sich dabei auf das Kredit-, Anlage- und Versicherungsgeschäft und soll mitunter das Bewusstsein für die Verantwortung der Unternehmen zur Achtung und Förderung der Kinderrechte schärfen. «Kinder machen einen Drittel der Weltbevölkerung aus. Sie haben einen Anspruch darauf, dass ihre Ansichten und Interessen bei Entscheidungen, die sie betreffen, berücksichtigt werden», sagt Bettina Junker, Geschäftsleiterin von UNICEF Schweiz und Liechtenstein. «Die Finanzinstitute haben es in der Hand, aktiv einen Beitrag zur Verbesserung der Gegenwart und Zukunft unserer Kinder zu leisten. Sie können dies beispielsweise tun, indem sie das Engagement mit Kundinnen und Kunden sowie investierten Unternehmen verbessern und dadurch die Kinderrechte fördern, oder durch innovative, neue Produkte, die sie entwickeln und Kinder in den Mittelpunkt ihrer Strategie stellen», sagt Bettina Junker.
Erkenntnisse: Begrenztes Bewusstsein und wahrgenommene Materialität
Die meisten der 30 Finanzinstitute in der Schweiz und in Liechtenstein, die in dieser Studie untersucht wurden, anerkennen ihre Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte. Allerdings sind sie sich der Rechte von Kindern, die über das Thema Kinderarbeit hinausgehen, nicht ausreichend bewusst und ergreifen keine genügenden Massnahmen, um sie zu schützen.
Unsere Analyse weist darauf hin, dass die Rechte von Kindern häufig als eine Untergruppe der Menschenrechte in globalen Lieferketten betrachtet werden. Der derzeitige Ansatz ist weitgehend reaktiv und beschränkt sich häufig auf Risikomanagementverfahren und den Ausschluss von Kinderarbeit innerhalb der Lieferketten. Diese verengte Sichtweise kann jedoch dazu führen, dass Finanzinstitute die Rechte von Kindern bei der Verfolgung ihrer eigenen Geschäftsziele nicht in vollem Umfang berücksichtigen.
Auch werden Kinderrechte als nicht ausreichend materiell für den Finanzsektor angesehen und stehen dazu in Konkurrenz zu anderen Nachhaltigkeitsthemen, denen die Finanzinstitute mehr Aufmerksamkeit schenken, wie Klimawandel, Biodiversität oder Diversität. Darüber hinaus werden Überlegungen zu den Kinderrechten aufgrund der Breite des Themas, der unzureichenden Datenlage, des vermeintlichen Mangels an Einflussmöglichkeiten und der begrenzten internen Ressourcen als schwer umsetzbar angesehen.
Verbesserungsmöglichkeiten
Trotz dieser Einschränkungen sind Finanzinstitute gut positioniert, ihre positive Wirkung auf Kinder deutlich zu verstärken, indem sie Kinderrechte in ihre Governance, ihre Strategie sowie in die doppelte Materialitätsanalysen einbeziehen, Kinder in ihrer Planung für eine gerechte Klima-Transition berücksichtigen, einen aktiveren Dialog mit Kundinnen und Kunden sowie investierten Unternehmen führen und sich an Multi-Stakeholder-Initiativen beteiligen. Die Einnahme einer Kinderrechtsperspektive auf ihre Produkte und Dienstleistungen ermöglicht es Finanzinstituten festzustellen, wo ihre Aktivitäten negative Auswirkungen auf Kinder haben, und Chancen zu ermitteln, um diese Auswirkungen in positive Ergebnisse zu verwandeln.
Empfehlungen für Finanzinstitute und andere wichtige Akteure
Diese Studie stützt sich auf internationale Standards und Best-Practice-Leitlinien, einer umfassenden Analyse der veröffentlichten Selbstverpflichtungen und Massnahmen von 30 Schweizer und Liechtensteiner Finanzinstituten in Bezug auf Kinderrechte sowie auf Interviews mit sechs Finanzinstituten mit Hauptsitz in der Schweiz und Liechtenstein. Das Ergebnis dieser Untersuchung sind zehn Empfehlungen für Banken, Vermögens- und Anlageverwalter, Versicherungsgesellschaften und andere wichtige Akteure in der Finanzbranche, die als Orientierungshilfe dienen sollen, um ihr Engagement für Kinderrechte zu verstärken. Darunter etwa folgende:
- Finanzdienstleister sollen bei der Governance, der Strategie, dem Risikomanagement sowie den Produkten und Dienstleistungen eine «Kinderrechts-Perspektive» einnehmen und sich verpflichten, die Kinderrechte zu wahren.
- Finanzdienstleister sollen Kinderrechte bewusst bei der doppelten Materialitätsprüfung berücksichtigen. Werden Kinderrechtsbelange als materiell eingestuft, so ist dies in der Berichterstattung des Finanzinstituts offenzulegen, wobei die Verbindungen zu den Kinderrechten, die potenziellen positiven und negativen Auswirkungen, Risiken und Chancen sowie die vom Finanzinstitut unternommenen Schritte zu deren Bewältigung zu beschreiben sind.
- Stewardship und Engagement mit Kundinnen und Kunden sowie investierten Unternehmen soll verbessert werden, um deren Geschäftspraktiken zu verbessern. Finanzinstitute sollen davon absehen, Geschäfte mit Kundinnen und Kunden und investierten Unternehmen einfach auszuschliessen, bei denen ein hohes Risiko für Kinderarbeit besteht und die nur unzureichende Sorgfaltspflichten zur Minderung solcher Risiken haben. Stattdessen sollen Finanzinstitute ihren Einfluss ausüben, um Veränderungen dahingehend zu bewirken, wie diese Kinderarbeit und die Rechte von Kindern im Allgemeinen erkennen und handhaben.
Hier geht es zur Studie: Kinderrechte und Finanzwirtschaft | unicef.ch