Heute veröffentlichte die Interessengemeinschaft für Qualität im Kindesschutz (IGQK) gemeinsam mit UNICEF Schweiz und Liechtenstein, Kinderschutz Schweiz und YOUVITA eine Broschüre zu transdisziplinären Qualitätsstandards im Kinderschutz für Fachpersonen, die in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern (HSLU) entwickelt wurde. Damit liegen dem fragmentierten Kindesschutz in der Schweiz erstmals einheitliche Qualitätsstandards vor.
Ausgangspunkt für die Entwicklung von transdisziplinären Qualitätsstandards war der 1. Nationale Qualitäts-Dialog im Jahr 2018. Basierend darauf tauschte sich eine Arbeitsgruppe unter Leitung der IGQK über «Good Practices» aus und legte die Basis für die Weiterentwicklung von transdisziplinären Qualitätsstandards. Nach einer öffentlichen Ausschreibung des Projekts wurden die Standards von der Hochschule Luzern in einem mehrstufigen wissenschaftlichen Vorgehen erarbeitet und von einer breit angelegten Begleitgruppe aktiv unterstützt. Der Austausch und Dialog zwischen Praxis und Wissenschaft sowie die Einbeziehung von Öffentlichkeit, Politik und Personen, die in ihrer Kindheit selbst Erfahrungen mit dem Kinderschutz gemacht haben, waren massgeblich für den Entwicklungsprozess.
Das Ergebnis dieses intensiv geführten und empirisch abgestützten Fachdiskurses sind zwanzig transdisziplinäre Qualitätsstandards für Fachpersonen, die sich in drei Themenbereiche gliedern. Dazu zählen insbesondere:
Partizipation
- Bereitstellung von alters- und entwicklungsgerechten Informationen für Kinder über
- Unterstützung des Kindes bei der eigenen Meinungsbildung und –äusserung.
- Unterstützung der Angehörigen, damit sie die Einschätzungs- und Entscheidungsprozesse (inkl. Klagemöglichkeit) für das Einbringen der Bedürfnisse der Kinder nutzen.
Orientierung am Kindeswohl
- Unterstützung, um die Ressourcen des Kindes, der Eltern und der Familie zu mobilisieren, ihre Belastungen zu reduzieren und das Kind, die Eltern sowie die Familie zu stärken.
- Rechtzeitige Unterstützung zum Schutz des Kindes bei Feststellung einer Gefährdung des Kindeswohls, die den Schweregrad, die Dauer der Gefährdung und das Erreichen von Unterstützungszielen berücksichtigt.
Fachlichkeit und Zusammenarbeit
- Aneignung von aktuellem, evidenzbasiertem Fachwissen über Kinderrechte, Unterstützungsformen und Gefährdungserkennung.
- Gestaltung von barrierefreien, sicheren und altersgerechten Räumlichkeiten und Materialien.
- Umsetzung klarer Koordination und eindeutiger Verantwortungsbereiche.
- Auswahl einer Ansprechperson für das Kind, sofern mehrere Fachpersonen über längere Zeit involviert sind.
Die transdisziplinären Qualitätsstandards richten sich an Fachpersonen und Organisationen aus dem freiwilligen, öffentlich-rechtlichen, zivilrechtlichen und strafrechtlichen Kindesschutz, die direkt mit Kindern und Angehörigen arbeiten. Die Qualitätsstandards dienen dazu, das Handeln von Fachpersonen zu evaluieren und zu optimieren. Darüber hinaus legen sie eine Basis, auf der die Fachpersonen innerhalb ihrer Organisation und in regionalen Verbänden den Austausch über und die Weiterentwicklung von Qualität im Kindesschutz pflegen können.
Dem fragmentierten Kindesschutz in der Schweiz liegen nun erstmals Qualitätsstandards vor, die von unterschiedlichen Akteuren unterstützt werden. Sie dienen als wichtige Grundlagen zum Auftakt für die Weiterentwicklung einer gemeinsamen Vision des Kindesschutzes. Am 9./10. November 2023 wird die Broschüre im Rahmen des 3. Nationalen Qualitätsdialogs der IGQK zum ersten Mal öffentlich präsentiert, besprochen und in Printversion aufgelegt.