Seit 2019 unterstützt UNICEF die tunesische Regierung beim Ausbau des nationalen Sozialschutzsystems. Dabei werden ausgewählte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ausgebildet, wie zum Beispiel Jamila.
Jamila steht auf einer Bühne und lächelt. Sie sieht stolz aus. Als eine von 25 tunesischen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern hat sie soeben ein Trainingsseminar absolviert. Dafür erhält sie nun ein Teilnahmezertifikat. Die mehrtägige Weiterbildung ist Teil eines speziell für Tunesien entwickelten UNICEF-Programms Namens «TRANSFORM». Es bietet Fachpersonen wie Jamila die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten im Bereich Sozialschutz auszubauen.
In Tunesien ist Armut noch immer weit verbreitet. Die Covid-19-Pandemie hat die Problematik weiter verschärft. Heute leben 26 Prozent der Kinder im Land in Armut. Viele von ihnen besuchen keine Schule oder brechen die Ausbildung frühzeitig ab. Gefährdete Gruppen wie junge Flüchtlinge und Kinder mit Behinderungen sind besonders betroffen.
Jamila weiss das aus eigener Erfahrung. Die Sozialarbeiterin aus Menzel Temime wurde mit einer Bewegungsstörung geboren. Als Kleinkind begann sie eine langjährige medizinische Behandlung, weshalb sie immer wieder in der Schule fehlte. «Dies ist nicht unüblich», sagt Jamila. «Von Armut betroffene Familien in Tunesien müssen sich oft zwischen Bildung und der medizinischen Versorgung ihrer Kinder entscheiden.»
Als Teenager war Jamila kurz davor, die Schule abzubrechen, als ein Arzt sie bei einer Institution anmeldete, die Kindern mit Behinderungen eine spezielle Ausbildung anbot. Jamilas Noten verbesserten sich schlagartig. Sie schaffte es auf die Sekundarschule und später an die Universität.
Heute arbeitet Jamila in der Provinz Nabeul im Bereich Sozialschutz. Tag für Tag setzt sie sich für genau jene Kinder ein, die wie sie aus prekären Verhältnissen stammen. «Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung habe ich eine besondere Sensibilität entwickelt, die für diese Arbeit sehr nützlich ist», erklärt Jamila.
Seit 2019 unterstützt UNICEF die tunesische Regierung beim Ausbau des nationalen Sozialschutzsystems. So sollen Kinder in Tunesien die Möglichkeit erhalten, ihr volles Potenzial zu entfalten – auch jene, die aus sozial schwächeren Familien stammen. Das wichtige Unterfangen wird von verschiedenen Entwicklungspartnern unterstützt, so auch von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit der Schweizerischen Eidgenossenschaft (DEZA).
«Diese Initiative liegt uns sehr am Herzen, da Kinder im Fokus stehen.»
Fabrizio Poretti, Chef des DEZA Kooperationsbüros in Tunis
«Diese Initiative liegt uns sehr am Herzen, da Kinder im Fokus stehen», sagt Fabrizio Poretti, Chef des DEZA Kooperationsbüros in Tunis. «Die Initiative trägt dazu bei, den Teufelskreis der Ungleichheit zu durchbrechen, der die Armut von einer Generation zur nächsten fortsetzt. Wir sind davon überzeugt, dass Investitionen in den Sozialschutz von Kindern deren sozioökonomische Ausgrenzung bekämpfen, das Humankapital stärken und den gemeinsamen Wohlstand fördern können.»
2023 hat die DEZA über fünf Millionen Franken für die Arbeit von UNICEF in Tunesien gesprochen. Die Mittel werden über einen Zeitraum von fünf Jahren eingesetzt und kommen verschiedenen Programmen zugute, wie zum Beispiel «TRANSFORM».
«Ich erhielt die Möglichkeit, mich im Bereich Sozialschutz weiterzubilden und mir wichtige Schlüsselkonzepte anzueignen», erzählt Jamila über das Programm «TRANSFORM», das mittlerweile über 125 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter aus verschiedenen Provinzen Tunesiens durchlaufen haben.
Das Gelernte konnte Jamila bereits in der Praxis anwenden. Zum Beispiel in einem Dorf in der Provinz Nabeul. Dort hilft Jamila einer Familie, welche die Existenz ihrer Kinder mit geistiger Behinderung jahrelang geheim gehalten hatte. «Die Geschwister hatten keinen Zugang zu wichtigen Dienstleistungen und Gesundheitseinrichtungen», erklärt Jamila und nickt nachdenklich. «Meine Aufgabe ist es nun, das Bewusstsein der Familie über die Rechte und Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen zu stärken und gangbare Möglichkeiten aufzuzeigen.»