Die Wirtschaft wirkt sich auf vielfältige Weise auf Kinder weltweit aus. Damit sich jedes Kind optimal entwickeln kann, ist die unternehmerische Verantwortung für die Achtung von Kinderrechten entsprechend gross. UNICEF Schweiz und Liechtenstein befürwortet deshalb eine gesetzlich verankerte Sorgfaltsprüfungspflicht mit entsprechender Haftung für Konzerne im Bereich Umwelt und Menschenrechte. Aus diesem Grund setzen wir uns für die Konzernverantwortungsinitiative ein, die am 29. November 2020 in der Schweiz zur Abstimmung kommt.
Wegen ihrer besonderen Verletzlichkeit haben Kinder und Jugendliche auch besondere Rechte – auf Überleben, Entwicklung, Schutz und Beteiligung. Jedes Unternehmen steht unweigerlich mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt: Sie sind Töchter und Söhne von Mitarbeitenden, junge Arbeitnehmende, sie wohnen in der Nachbarschaft von Unternehmensstandorten und sind auf die Nutzung desselben Bodens oder derselben natürlichen Ressourcen angewiesen. Entsprechend gross sind die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Rechte und Lebensbedingungen der Kinder. Dies zeigt ein Beispiel aus Peru: Im Umfeld der Mine Cerro de Pasco, die von einem Schweizer Konzern kontrolliert wird, leidet die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen unter einer hohen Belastung mit Schwermetallen.
Um Kinder weltweit vor negativen Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten zu schützen, setzt sich UNICEF Schweiz und Liechtenstein für bessere Rahmenbedingungen für die Achtung von Kinderrechten durch die Wirtschaft ein. Damit folgt UNICEF Schweiz und Liechtenstein den Empfehlungen des UN-Kinderrechtsausschusses, welcher der Schweiz nahelegt, «sicherzustellen, dass die Wirtschaftsunternehmen und ihre Tochterfirmen (…) für jegliche Verletzung der Kinder- und Menschenrechte, welche sie durch ihre Tätigkeiten verursachen, rechtlich belangt werden können».
Aus folgenden Gründen sind wir überzeugt, dass die Konzernverantwortungsinitiative den richtigen Ansatz verfolgt und einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Kinderrechte leistet:
- Die Verletzung von Kinderrechten durch Unternehmen ist eine Realität
Die Rechte von Kindern weltweit sind auch von Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz und ihren Geschäftspartnern/-innen betroffen. Negative Auswirkungen der Wirtschaft auf die Kinderrechte passieren häufiger in Ländern, in denen der rechtliche Schutz ungenügend vorhanden ist oder wo Gesetze nicht durchgesetzt werden. Für einen besseren Schutz der Kinderrechte braucht es deshalb strengere Regeln zur Sorgfaltspflicht von Schweizer Unternehmen, die in betroffenen Ländern wirtschaften. - Eine seriöse Sorgfaltsprüfung kann negative Auswirkungen verhindern
Primäres Ziel einer seriösen Sorgfaltsprüfung eines Unternehmens ist es, allfällige Risiken seiner Tätigkeit für Kinderrechte frühzeitig zu identifizieren und rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen, damit es gar nicht erst zu Rechtsverletzungen kommt. Die Einführung einer Sorgfaltsprüfungspflicht ist deshalb ein wirksames Instrument zur Prävention von Kinderrechtsverletzungen durch Unternehmen. - Kinderrechte verdienen Schutz der Verbindlichkeit – Haftung gehört dazu
Ohne umfassende gesetzliche Sorgfaltsprüfungspflicht wird die Achtung elementarer Kinderrechte dem Gutdünken einzelner Unternehmen überlassen. So entsteht ein Flickenteppich aus freiwilligen Massnahmen, die lückenhaft und unterschiedlich wirksam sind. Um Kinderrechte optimal zu schützen, befürworten wir einen Ansatz zur Konzernverantwortung, der auf der Verbindlichkeit unseres Rechtstaates und nicht auf Freiwilligkeit basiert. Damit die Rechte und Pflichten im Falle von Verstössen auch gerichtlich durchgesetzt werden können, gehört eine gesetzliche Haftungsregelung fest dazu.
Bei einem «NEIN» zur Initiative am 29. November tritt automatisch der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft. Dieser sieht nur eine Berichterstattungspflicht für Unternehmen vor – die Sorgfaltsprüfung erfolgt auf freiwilliger Basis und ist nur in Bezug auf Konfliktmineralien und Kinderarbeit obligatorisch. Eine unternehmerische Haftung für Rechtsverletzungen ist nicht vorgesehen. Wir sind überzeugt, dass dieser Ansatz für den Schutz der Kinderrechte ungenügend und wirkungslos ist:
- Nur ein ganzheitlicher Ansatz ermöglicht die Abschaffung der Kinderarbeit
Ausbeuterische Kinderarbeit ist eine Kinderrechtsverletzung an sich, aber auch eine Folge anderer Menschen- und Kinderrechtsverletzungen. Ein reiner Fokus auf Kinderarbeit löst das Problem nicht – denn er übersieht ihre eigentlichen Ursachen. Dazu gehören Armut, schlechte Arbeitsbedingungen der Eltern oder fehlender Zugang zu Bildung und Gesundheit. Um schädliche Kinderarbeit abzuschaffen, muss das Problem an seiner Wurzel gepackt werden. Dafür ist zentral, dass die Kinderrechte in ihrer Gesamtheit geschützt und geachtet werden. Ein Ansatz zur Konzernverantwortung, der die Sorgfaltspflicht auf Kinderarbeit beschränkt, ist deshalb nicht wirksam. - Eine reine Berichterstattungspflicht verbessert den Kinderrechtsschutz nicht
Über ein Risiko oder eine negative Auswirkung zu berichten, ist nur ein Teil der unternehmerischen Sorgfaltspflicht. Für einen effektiven Schutz der Kinderrechte müssen Unternehmen die Risiken nicht nur benennen, sondern auch aktiv Massnahmen zu deren Minimierung treffen. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass eine reine Berichterstattungspflicht für Unternehmen nicht zu einem verbesserten Menschenrechtsschutz führt.
UNICEF Schweiz und Liechtenstein setzt sich für gesetzliche Rahmenbedingungen ein, die garantieren, dass Unternehmen die Kinderrechte respektieren. Am 29. November 2020 unterstützen wir deshalb das «JA» zur Konzernverantwortungsinitiative, die einen wirkungsvollen und pragmatischen Ansatz verfolgt. Denn wir sind überzeugt, dass Politik und Wirtschaft die Kinder im Einflussbereich von Schweizer Unternehmen besser schützen müssen. Zum Wohl für jedes Kind.
Weitere Informationen zu Wirtschaft und Kinderrechten: Children′s Rights & Business Principles