Die 10 häufigsten Irrtümer über die Kinderrechtskonvention

Dieser Beitrag stellt häufige Irrtümer über die Kinderrechte richtig, die uns bei unserer Arbeit mit der Konvention aufgefallen sind.

Die Kinderrechtskonvention (KRK) ist ein internationaler Vertrag und Rechtsdokument, die weltweit gültige Grundwerte im Umgang mit Kindern formuliert. Sie kann daher komplex wirken und in der Praxis manchmal schwer zu interpretieren sein. Das kann zu Fehlinterpretationen oder Missverständnissen über die Bedeutung der einzelnen Rechte führen sowie darüber, wie die Konvention in der realen Welt anzuwenden ist.

Poster der Kinderrechtskonvention

Im folgenden Beitrag klären wir über 10 Irrtümer und falsche Annahmen in Bezug auf die Kinderrechtskonvention auf. So soll das Verständnis über die Konvention vertieft werden, ohne sie zu sehr zu vereinfachen.

Einige Artikel in der Konvention betreffen die Beziehung zu anderen Menschen und Kinder (z.B. Artikel 15 über das freie Zusammenschliessen mit anderen) oder die Notwendigkeit, anderen ihre Rechte nicht zu verwehren, während man seine eigenen Rechte ausübt (z.B. Artikel 14 über Gedanken-, Glaubens- und Religionsfreiheit). Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass die Konvention ein Menschenrechtsvertrag ist, der eine Beziehung zwischen Staat und Kindern und im weiteren Sinne zwischen Erwachsenen und Kindern festschreibt. Der Zweck der Konvention ist es nicht, die Beziehung eines Kindes zu anderen Kindern zu definieren oder es zu einer Beziehung zu verpflichten.
Unsere Erfahrungen zeigen aber, dass die Beziehungen zwischen Kindern (und zu Erwachsenen) tendenziell besser werden, wenn sie ihre Rechte kennen. Sie entwickeln mehr Einfühlungsvermögen und werden sich bewusst, wie ihre Handlungen andere beeinflussen können. Dies gilt auch im Schulkontext: Kinder respektieren schulische Verhaltensregeln eher und nehmen deren Ethos an, wenn diese aufbauend auf die Kinderrechte entwickelt wurden und auf den Prinzipien der Menschenrechte wie z.B. Nichtdiskriminierung, Würde und Respekt, basieren.

Liebe und Glück scheinen auf den ersten Blick offensichtliche Elemente der Kinderrechte zu sein, sie sind aber in keinem der 54 Artikeln verankert. Hierfür muss man sich ins Bewusstsein rufen, dass die Konvention ein rechtliches Dokument ist und Gefühle wie Liebe oder Glück lassen sich unmöglich in Gesetzen festhalten oder durchsetzen.
In vielen Artikeln der KRK geht es aber um die Bedingungen, die ein Kind braucht, um glücklich aufwachsen zu können – wie die Einheit der Familie, Erholung und Spiel oder der Schutz vor Ausbeutung.  
In der Einleitung der Konvention werden Glück und Liebe tatsächlich auch erwähnt, und zwar wird darauf hingewiesen, dass ein Kind in einer Atmosphäre voller Liebe, Glück und Verständnis aufwachsen soll.

Diese Aussage ist aus demselben Grund falsch wie Irrtum Nummer 2. Gefühle wie Verbundenheit und Freundschaft lassen sich nicht gesetzlich erzwingen. Auch hier schafft die Konvention aber die Grundlagen für Freundschaften wie das Recht, sich mit anderen Personen zu treffen (Artikel 15).

Die Kinderrechte sind, wie alle Menschenrechte, bedingungslos und dürfen nicht zur Bestrafung entzogen werden, weil eine «Verpflichtung» nicht erfüllt wurde. Sie sind zudem universell, das heisst sie gelten für alle Kinder gleichermassen.
Erwachsene und Kinder sind dazu angehalten, die Rechte zu respektieren, aber das bedeutet nicht, dass die Rechte eines Kindes davon abhängen, ob es die Rechte anderer respektiert. Die Kinderrechte sind daher auch nicht dazu da, das Verhalten von Kindern in der Schule zu disziplinieren. 
Es ist sinnvoller über Rechte und Respekt zu sprechen, und NICHT über Rechte und Verpflichtungen.

Kein Recht ist wichtiger als das andere. Es ist ein zentraler Aspekt der Konvention, dass sie als Ganzes betrachtet werden muss und dass alle Rechte zusammenhängen. Um dies in der Praxis umzusetzen, sind hier ein paar nützliche Hinweise:

  • Grundprinzipien: Vier Artikel der Konvention werden als besonders erachtet, da sie eine grundlegende Rolle bei der Realisierung aller Rechte in der Konvention spielen und helfen, die Artikel der Konvention zu interpretieren. Diese werden «Grundprinzipien» genannt und beinhalten die Nichtdiskriminierung (Artikel 2), das übergeordnete Wohl des Kindes (Artikel 3), Leben, Überleben und Entwicklung (Artikel 6) und der Respekt für die Meinungen des Kindes (Artikel 12). Es ist absolut verständlich, dass man sich nicht alle 54 Artikel merken kann, aber diese vier sollte man immer mitdenken.
  • Rechte abwägen: Manchmal müssen Erwachsene als Verantwortungsträger abwägen, welchem Recht der Vorrang gegeben werden muss. Zum Beispiel: Ein Kind muss unter speziellen Umständen vielleicht von seinen Eltern getrennt werden, wenn es das Beste für das Wohlergehen des Kindes ist.
  • Rechte einschränken: Manche Rechte können Einschränkungen unterliegen, die üblicherweise vom Gesetz oder einem Regelwerk definiert sind. Zum Beispiel: Das Recht auf freie Meinungsäusserung (Artikel 13) kann eingeschränkt werden, wenn jemand sein Recht auf freie Meinungsäusserung dazu verwendet, andere Menschen zu misshandeln und/oder ihnen ihre Rechte zu verwehren.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass alle Massnahmen und Entscheidungen, die die Rechte eines Kindes einschränken könnten, nur unter besonderen Umständen, zeitlich begrenzt und zum Wohl des Kindes getroffen werden sollten. Das Recht des Kindes, gehört und ernst genommen zu werden, muss jederzeit respektiert werden, und alle Massnahmen sollten die Würde des Kindes wahren.

Die Menschenrechte, wie sie etwa in der «Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte» der Vereinten Nationen oder der «Europäischen Menschenrechtskonvention» festgehalten sind, gelten für alle Menschen, also auch für Kinder und Jugendliche.

Kinder und Jugendliche befinden sich in einer ganz besonderen Lebensphase. Je jünger sie sind, desto mehr sind sie auf Unterstützung und Schutz angewiesen. Je älter und reifer sie werden, desto selbstständiger und selbstbestimmter werden sie. Kinderrechte nehmen auf diese sich entwickelnden Fähigkeiten und Bedürfnisse Rücksicht.

Während die Konvention über die Rechte des Kindes also nur für Menschen unter 18 gilt und Rechte beinhaltet, die einzig für Kinder sind, gilt die Internationale Charta der Menschenrechte gleichermassen für jeden, egal ob Erwachsener oder Kind und unabhängig von Ethnizität, Sprache, Geschlecht, Herkunft oder jedem anderen Status.

In der Kinderrechtskonvention gibt es keinen Artikel, der besagt, dass Kinder Anrecht auf eigenes Spielzeug haben. Sie besagt jedoch in Artikel 31, dass jedes Kind das Recht hat zu spielen, an kulturellen und künstlerischen Aktivitäten teilzunehmen und sich zu entspannen. Das Kinderrechtskomitee empfiehlt Regierungen, angemessene menschliche und finanzielle Ressourcen bereitzustellen, damit alle Kinder und jungen Menschen, unabhängig von den finanziellen Mitteln ihrer Familie, von ihrem Recht auf Spielen, Freizeit und Erholung Gebrauch machen können.

Die Konvention wurde 1989 nach jahrelanger Entwicklung von der UN-Generalversammlung verabschiedet. Obwohl der Text der Konvention (Präambel und 54 Artikel) seither nicht geändert wurde, ist die Konvention insgesamt ein lebendiges Instrument, das sich im Laufe der Zeit entwickelt und an viele neue Realitäten, mit denen Kinder konfrontiert sind, angepasst hat.

Dazu gehören die Fakultativprotokolle. Sie erweitern die Konvention in einigen besonders wichtigen Bereichen. Das erste befasst sich mit Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie, das zweite mit der Beteiligung von Kindern an bewaffnet Konflikten. Das dritte Fakultativprotokoll bietet die Möglichkeit einer individuellen Beschwerde von Kindern und Jugendlichen an den UN-Kinderrechtsausschuss. Alle drei Fakultativprotokolle wurden von der Schweiz und Liechtenstein ratifiziert.

Zudem gibt es regelmässige Überprüfungen und Ergänzungen der Interpretation der Konvention und Anweisungen an die Regierungen, wie die Konvention zu implementieren ist. Beispielsweise veröffentlicht das UN-Kinderrechtskomitee – die Experten, die die Implementierung der Konvention überprüfen – regelmässig allgemeine Bemerkungen. Diese zielen auf die Klarstellung und Verfeinerung bestimmter Artikel oder Themen ab, die für die Kinderrechte relevant sind. Darüber hinaus organisiert das Komitee Tage für allgemeine Diskussionen zu spezifischen Themen, um das Verständnis in bestimmten Bereichen der Kinderrechte zu vertiefen, wie etwa «Gewalt gegen Kinder», «digitale Medien und Kinderrechte» oder «Kinder und die Umwelt».

Die Konvention ist ein allgemeingültiges rechtliches Dokument und nicht Eigentum von UNICEF. Die Arbeit von UNICEF basiert aber auf der Konvention und als führendes Organ der UNO für Kinder, ist UNICEF von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beauftragt, sich für den Schutz der Kinderrechte einzusetzen, die Befriedigung der Grundbedürfnisse von Kindern zu fördern und ihnen zu ermöglichen, ihr volles Potenzial entfalten zu können.

UNICEF ist auch die einzige Organisation, die in der Konvention ausdrücklich erwähnt wird (Artikel 45). Gemeinsam mit anderen Organisationen und Einzelpersonen aus aller Welt waren wir Teil der Arbeitsgruppe, die den Text der Konvention entwickelt hat.

Die Kinderrechte gelten für jedes Kind weltweit – auch bei uns. Den meisten Mädchen und Buben hier geht es zwar gut, aber auch in der Schweiz und Liechtenstein sind Kinder von Gewalt betroffen oder werden ausgegrenzt. Viele Kinder wachsen in Armut auf. Und es ist noch längst nicht gelungen, dass das Wohl von Kindern und Jugendlichen in Politik und Gesellschaft wirklich Vorrang hat. 

Mit der Ratifizierung der Konvention sind die Schweiz und Liechtenstein nach internationalem Recht verpflichtet, die Kinderrechte umzusetzen und Rechenschaft darüber abzulegen. Das Prüfverfahren zur Umsetzung der Kinderrechte heisst «Staatenberichtsverfahren». Mehr Informationen dazu und der Kinderrechtssituation in der Schweiz und in Liechtenstein finden Sie hier.