Viel zu selten werden Kinder und Jugendliche an der Entwicklung von Produkten beteiligt, die für sie bestimmt sind. Für UNICEF Schweiz und Liechtenstein hat ihre Partizipation höchste Priorität. Wir zeigen in diesem Blogbeitrag in fünf Schritten, wie Kinder und Jugendliche in Form eines «Sounding Boards» in ein Projekt einbezogen werden können.
Kinder und Jugendliche wissen am besten, was ihnen gefällt und was nicht. Welche Wörter sie verstehen und welche sie verwirren. Niemand kennt ihre Lebenswelt so gut, wie sie selbst. Deshalb liefert der Einbezug von Kindern und Jugendlichen wichtige Erkenntnisse. Ein Grundprinzip der Kinderrechtskonvention ist das Recht auf Partizipation. Wenn wir junge Menschen einbeziehen, tun wir also nicht nur uns selbst einen Gefallen, sondern wir gestehen ihnen in erster Linie ihre Rechte zu.
Eine unkomplizierte Möglichkeit, um Kinder und Jugendliche einzubeziehen, ist die Durchführung eines «Sounding Boards». Dabei werden Kinder und Jugendliche um Feedback zu einem Produkt gefragt.
Vorgehen von UNICEF Schweiz und Liechtenstein
In der UNICEF Informationsbroschüre «Deine Meinung zählt. Alles zur Kindesanhörung in zivilrechtlichen Verfahren» wird Kindern und Jugendlichen Schritt für Schritt erklärt, was eine Kindesanhörung ist und wie sie abläuft. Da es dabei meist um schwierige Themen – wie Scheidung oder Kinderschutzfragen – geht, wollten wir sicherstellen, dass die Broschüre sensibel, aber auch ehrlich über das Thema informiert. Deshalb haben wir bei der Erarbeitung ein Sounding Board mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt.
1. Schritt: Planung
Zuerst gilt es zu definieren, welche Kinder und Jugendlichen die Zielgruppe des Produkts sind und welche Erwartungen man an sie hat. Es muss überlegt werden, wie diese Zielgruppe erreicht werden kann. Danach folgt die Auswahl der Methoden, mit denen die Meinungen der Kinder und Jugendlichen sinnvoll abgeholt werden und anschliessend in das Produkt eingebaut werden können. Je nach Produkt und Zielgruppe kann beispielsweise ein Fragebogen und/oder persönliches Gespräch sinnvoll sein.
Wesentlich dabei ist der Schutz der Kinder und Jugendlichen: Was sind die potenziellen Risiken und wie kann man diese minimieren? Solche Überlegungen haben bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Vorrang, und müssen immer mitberücksichtigt werden.
Vorgehen von UNICEF Schweiz und Liechtenstein
Die UNICEF Broschüre zur Kindesanhörung richtet sich an Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren. Mit einem Sounding Board wollten wir herausfinden, ob die Texte und Bilder für diese Zielgruppe verständlich sind und wo allfällige Schwierigkeiten bestehen.
Abbildung 2: Ein Beispielbild aus unserer Broschüre
«Bei dem Bild auf dem ein Mann mit einem PC zu sehen ist, weiss ich nicht was das Symbol in der Sprechblase Links bedeutet»
Um die grosse Altersspanne der Zielgruppe abzudecken, haben wir uns entschieden, mit Schulklassen unterschiedlicher Jahrgänge zusammenzuarbeiten. Das Sounding Board teilten wir in zwei Phasen ein: Die Kinder und Jugendlichen füllten erst einen Fragebogen zur Broschüre aus, danach folgten persönliche Gespräche in den Klassen.
2. Schritt: Vorbereitung
Folgende Fragen müssen vorab geklärt werden:
- Wie kommen die Kinder und Jugendlichen mit dem Produkt in Kontakt? Für ein möglichst authentisches Ergebnis sollte das Material so präsentiert werden, wie Kinder und Jugendliche es später tatsächlich verwenden sollen. Eine Broschüre sollte also in ausgedruckter Form vorliegen, während eine App digital zugänglich gemacht werden sollte.
- Wie kommuniziere ich mit den Kindern und Jugendlichen? Wichtig sind dabei eine altersgerechte Sprache und Aufbereitung. Bei einem persönlichen Besuch muss der Ablauf geplant und mit den Betreuungspersonen gesprochen werden, damit die Kinder und Jugendlichen entsprechend vorbereitet werden können.
- Wie erhalte ich Ergebnisse, mit denen ich etwas anfangen kann? Es gilt zwischen offenen Fragen oder einer Antwortauswahl abzuwägen. Antworten sind so zu sammeln, dass man gut damit weiterarbeiten kann.
- Wie stelle ich Kinderschutz sicher? Wichtig ist, entsprechende Vorkehrungen zu treffen: Man muss sich bewusst sein, dass Kinder und Jugendliche im Rahmen eines Sounding Boards persönliche Erfahrungen teilen können und wie man damit umgeht. Die Teilnahme muss immer freiwillig sein. Eltern müssen informiert und eventuell um ihr Einverständnis gebeten werden.
Vorgehen von UNICEF Schweiz und Liechtenstein
Wir konnten Primar- bis Kantonsschulklassen für unser Sounding Board gewinnen und so eine diverse Gruppe an Teilnehmenden erreichen. Den Kindern und Jugendlichen liessen wir über die Lehrperson die Broschüren zukommen. Beigelegt war auch ein Informationsschreiben an die Eltern, eine Einverständniserklärung und ein kurzer Fragebogen zur Broschüre für die Kinder und Jugendlichen.
Wir achteten auch darauf, Kinderschutzaspekte von Anfang an mitzudenken: Eine Risikoabschätzung wurde gemacht, das Sounding Board wurde immer von zwei Erwachsenen durchgeführt, Eltern und Erziehungsberechtigte wurden einbezogen, die Teilnahme war freiwillig und Ansprechpersonen wurden definiert.
3. Schritt: Durchführung
Bei der Durchführung eines Sounding Boards vor Ort oder online mit persönlichem Kontakt ist folgendes wichtig: Für Kinder und Jugendliche möglichst zugänglich zu sein und sie nicht zu überfordern, sowie auf ihre Sicherheit und ihr Einverständnis zu achten. Zu Beginn sollte klar kommuniziert werden, wieso man da ist, welchen wertvollen Beitrag die anwesenden Kinder und Jugendlichen zum Produkt leisten und was mit ihrem Feedback passiert. Das Programm sollte abwechslungsreich und interaktiv gestaltet sein. Es ist sinnvoll einen Mix von offenen und geschlossenen Fragen zu stellen, und bei Unklarheiten nachzuhaken.
Vorgehen von UNICEF Schweiz und Liechtenstein
Bei unseren Besuchen in den Klassen haben wir die Schülerinnen und Schüler nach einer kurzen Vorstellung und Einführung in Kleingruppen aufgeteilt, um untereinander die Broschüren zu besprechen. Das hat vielen den Mut gegeben, uns ihre Meinung klarer und ehrlicher mitzuteilen, da sie sich im gemeinsamen Austausch gegenseitig bestärkt haben. Durch den vorab ausgefüllten Fragebogen konnten sich auch Kinder und Jugendliche mitteilen, die sich in der Gruppe nicht äussern wollten.
Als potenzielles Risiko für die Kinder und Jugendlichen haben wir die sensible Natur des Themas Kindesanhörung im Zivilrecht erkannt – viele Kinder und Jugendliche sind selbst von Scheidung, Gewalt und Vernachlässigung betroffen. Uns war es wichtig zu betonen, dass die Teilnahme am Sounding Board freiwillig ist. Die Schülerinnen und Schüler wurden informiert wo sich die Lehrperson aufhält, falls sie nicht im Raum geblieben ist.
Abbildung 3: Sounding Board an einer Schule mit UNICEF Schweiz und Liechtenstein
4. Schritt: Feedback einbauen
Nach dem Sounding Board erfolgt die Einarbeitung der Antworten der Kinder und Jugendlichen. Es ist hilfreich, die Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge zu sortieren, um sich einen Überblick zu verschaffen. Das Ziel dieser Sortierung ist, herauszufinden, für wie viele Kinder ein gewisser Aspekt des Produkts Thema war und wie drängend eine Änderung ist.
Bei Produkten für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Gruppenmerkmalen wie zum Beispiel dem Alter ist es wichtig, das Feedback entsprechend abzuwägen. Was für eine Gruppe funktioniert, mag einer anderen Gruppe nicht gefallen. Schlussendlich muss jedoch von den Produktverantwortlichen abgewogen und entschieden werden, welche Rückmeldungen aufgenommen werden sollen und welche nicht.
Vorgehen von UNICEF Schweiz und Liechtenstein
Da sich unsere Informationsbroschüre zur Kindesanhörung an junge Menschen zwischen 6 und 18 Jahren richtet, haben wir versucht, mit unserem Sounding Board diese Altersspanne abzudecken. Bei der Auswertung der Rückmeldungen haben wir verschiedene Aspekte bei den unterschiedlichen Altersgruppen priorisiert. Bei den jüngeren Kindern war uns wichtig, dass sie vor allem die Bilder der Broschüre und die in Sprechblasen hervorgehobenen Textteile verstehen. Bei den älteren Jugendlichen haben wir zusätzlich vor allem auf den Informationsgehalt und die Wortwahl geachtet.
5. Schritt: Optimierung und Weiterentwicklung
Übung macht den Meister. Jedes durchgeführte Sounding Board hat Potenzial für Verbesserungen. Was hat gut funktioniert und was hätte man anders machen können? Spielt man jeden Schritt des Prozesses nochmals durch und vergleicht diese mit den Erwartungen zu Beginn, lässt sich erkennen, was man optimieren könnte. Durch eine Evaluation des Prozesses kann man zukünftige Sounding Boards verbessern und den Aufwand reduzieren.
Vorgehen von UNICEF Schweiz und Liechtenstein
Aus unserem Sounding Board haben wir gelernt, dass man mit jüngeren Kindern am besten in einem kleineren Rahmen persönlich spricht. Wir hatten geplant, eine ganze 2. Primarschulklasse zu befragen, konnten dann aber nur mit einer kleinen Gruppe sprechen. Dies erwies sich als Glücksfall, da wir so inhaltlich mehr in die Tiefe gehen konnten, da die jüngeren Kinder sich noch nicht so klar ausdrücken konnten. Dadurch haben wir mit demselben Zeitbudget bessere Erkenntnisse gewonnen, als wenn wir eine ganze Klasse befragt hätten.
Die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen hat die Publikation von UNICEF Schweiz und Liechtenstein merklich kinderfreundlicher und zugänglicher gemacht und wir freuen uns auf alle zukünftigen Sounding Boards, eine Praxis die wir herzlichst weiterempfehlen.
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