Darleen Pfister ist 18 Jahre alt, Gymnasiastin und politisch engagiert. In diesem Blog berichtet sie von ihrem Schnupperpraktikum bei UNICEF Schweiz und Liechtenstein und plädiert für einen vermehrten und frühen Einbezug der Kinder und Jugendlichen in die Gemeindeentwicklung.
Erfahrungsbericht von Darleen Pfister
Als Teilnehmerin der eidgenössischen Jugendsession und Co-Projektleiterin der kantonalen Jugendsession Bern erlebe ich immer wieder dasselbe: Unsere wichtigen Anliegen werden zwar gelobt, aber nicht ernstgenommen. Manchmal verschwinden sie in einer Schublade oder gar im Papierkorb. Das ist frustrierend. Deshalb möchte ich mich für echte Partizipation einsetzen. Das führte mich zu einem Schnupperpraktikum bei der Initiative «Kinderfreundliche Gemeinde» bei UNICEF Schweiz und Liechtenstein.
«Ein Spielplatz allein macht eine Gemeinde nicht kinderfreundlich. Kinderfreundlichkeit ist eine Haltung und muss vollumfänglich und selbstverständlich gelebt werden.»
Mein Lebensmittelpunkt befindet sich aktuell in der Stadt Thun. Dort gehe ich ins Gymnasium, treffe mich mit meinen Freundinnen und besuche Events. Weil ich mich so häufig in Thun aufhalte, ist es mir auch wichtig, wie die Stadt gestaltet ist und ich rede gerne dabei mit. Deshalb schätze ich die partizipativen Entwicklungsprozesse der «Kinderfreundlichen Gemeinde» sehr. Wie soll in Zukunft das Bahnhofsgelände aussehen und was halte ich von der Klimastrategie? Mithilfe von Soundingboards, Charette-Prozessen und Mitwirkungstagen kann die Bevölkerung der Stadt Rückmeldungen dazu geben. Kinder und Jugendliche selbstverständlich an den kommunalen Veränderungsprozessen teilhaben lassen, ist ein Grundprinzip der UNICEF Initiative «Kinderfreundliche Gemeinde». Ihre Interessen sollen übergeordnet werden. Damit wird ihnen ein Leben und Aufwachsen in einem zugänglichen, sicheren und gestaltbaren Umfeld ermöglicht, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Alter und ihrem Geschlecht. Zertifizierte Gemeinden verpflichten sich während vier Jahren, ihren selbst zusammengestellten Aktionsplan umzusetzen und tragen damit einen Teil zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention bei.
Während einer Woche durfte ich Mona Meienberg, Teamleiterin «Kindgerechte Gemeinde- und Stadtentwicklung» und ihr Team, Alissa Brenn und Florian Hadatsch, in ihrem Alltag begleiten. Am ersten Tag besuchten wir Vaduz (FL), um der Gemeinde die Initiative und den Zertifizierungsprozess vorzustellen. Damit macht sich bereits die fünfte Liechtensteiner Gemeinde auf den Weg hin zur «Kinderfreundlichen Gemeinde». Weil nur sehr wenige Kinder und Jugendliche ihre Rechte kennen, wird UNICEF Schweiz und Liechtenstein am Bundeslager der Pfadi mit einem Stand anwesend sein und Workshops abhalten. Könnten Sie 10 Kinderrechte aufzählen? Den Wölflis und Pfadis wird es nach dem Besuch im UNICEF Zelt bestimmt gelingen. Damit alles reibungslos ablaufen wird, wurden die Mitarbeitenden für die zwei Wochen vorbereitet.
An einem weiteren Tag fuhren wir buchstäblich durch die halbe Schweiz. Am Morgen begleiteten wir eine Arbeitsgruppensitzung in Stein am Rhein, die sich auf dem Weg zu ihrer zweiten Zertifizierung befindet. Dabei diskutierten wir unter anderem Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum und wie die Gemeinde damit umgehen kann. Damit ist Stein am Rhein nicht allein; ein Austausch mit anderen betroffenen Gemeinden, beispielsweise an einem Runden Tisch, könnte Abhilfe schaffen. UNICEF Schweiz und Liechtenstein organisiert regelmässig Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten für die «Kinderfreundlichen Gemeinden». Das nächste Netzwerktreffen findet am 13. September 2022 in Bern zum Thema Kinderrechte im digitalen Raum statt und wird gemeinsam mit dem Netzwerk Kinderrechte organisiert.
Am Abend stellte die Jugendarbeitsstelle Oberwallis in Visp Gemeindevertretenden, Kindern und Jugendlichen ihr Projekt «Jugend Partizipiert» vor. Anschliessend teilten der Chef der kantonalen Dienststelle für die Jugend und ein Mitglied des Jugendrates Brig-Glis ihre Erfahrungen. Nach einem kurzen Workshop hielt Mona Meienberg ein Inputreferat zu «Partizipation auf Gemeindeebene».
«Bei wichtigen Entscheidungen hören Erwachsene auf Expertinnen und Experten. Dabei gehen jedoch oft sehr wichtige vergessen: Kinder und Jugendliche.»
An den vielen Gemeindebesuchen, Sitzungen und Austauschen konnte ich viele Erfahrungen sammeln. Mir wurde bewusst, wie herausfordernd die Zusammenarbeit von Kindern und Jugendlichen mit erwachsenen Politikerinnen und Politikern sein kann. Während Kinder und Jugendliche Geduld zeigen müssen, sollten Erwachsene eine kindgerechte Sprache verwenden. Mein Tipp an Erwachsene: Lassen Sie beispielsweise Ihre Präsentationen vorher von jemandem aus der jungen Zielgruppe durchlesen. Sie werden Ihnen sagen können, welche Wörter sie nicht verstehen.
Kinder und Jugendliche möglichst früh und überall miteinbeziehen – das wünsche ich mir von den Gemeinden in Zukunft. Wir können zwar die Ruhe im Quartier stören, aber auch ganz sachlich über wichtige Themen diskutieren. Wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen und ernstgenommen werden, nehmen wir oft auch gerne an Partizipationsprozessen teil. Falls doch noch zu wenige mitreden, fragen Sie doch am besten direkt die Expertinnen und Experten in der Bevölkerung; die Kinder und Jugendlichen werden Ihnen bestimmt eine Antwort geben.